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Der Vogelembryo als Modell epigenetischer pränataler 'Fehlprogrammierung' am Beispiel des Gestationsdiabetes

Fachliche Zuordnung Gynäkologie und Geburtshilfe
Förderung Förderung von 2007 bis 2015
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 44274204
 
Erstellungsjahr 2015

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Übergreifende Zielstellung des Projektes war es, ein neues, translational interpretierbares Experimentalmodell zur Untersuchung der Konsequenzen „isolierter“, temporärer pränataler Hyperglykämie für Kernparameter der postnatalen Körpergewichts- und Stoffwechselregulation, namentlich die neuroelektrophysiologische als auch die korrespondierende neuromolekulare hypothalamische Funktionalität, im juvenilen Alter bei Hühnern zu etablieren, validieren und charakterisieren. Hiermit sollte ein grundlagenwissenschaftlicher Beitrag zum besseren Verständnis konkreter‚ pränataler Risikofaktoren erhöhter Adipositas- und Diabetesdisposition im späteren Leben geleistet werden. Nach ebenso umfangreicher wie erfolgreicher Modellgenerierung (pränatale Applikationstechnik und -modus, neuroelektrophysiologische Methodenvalidierung und -normierung an unbehandelten Tieren, Etablierung und Validierung von speziesspezifischen hormon- und v.a. mRNA- und Methylierungsanalysen) erfolgten Hauptversuche an insgesamt 265 Versuchstieren. Um eine temporäre pränatale Hyperglykämie zu induzieren, wurden den Versuchstieren an vier aufeinanderfolgenden Bruttagen (14.-17. Tag der Inkubation) 0,5 ml einer Glukoselösung (30 mmol/l) via Dauerkatheter (‘butterfly‘) in ein Chorioallantoisgefäß injiziert. Im Alter von 3 Wochen wurde das Körpergewicht erfasst sowie Körperfett und Blutglukose bestimmt. In vitalen Hirnschnittpräparaten erfolgten zunächst extrazelluläre Einzelzellableitungen der Aktivität von Neuronen im Bereich des mediobasalen Hypothalamus (Nucleus infundibuli hypothalami, NI). Anschließend wurden in den gleichen Proben mRNA-Expressionsanalysen hypothalamischer Rezeptoren (INSR, LEPR) und Glukosetransporter (GLUT1, GLUT3) durchgeführt sowie der DNA-Methylierungsstatus der Promotorbereiche dieser Kandidatengene untersucht. Obwohl bezüglich der morphometrischen und metabolischen Parameter keine signifikanten Unterschiede zwischen den Versuchsgruppen am 21. LT beobachtet werden konnten, zeigten pränatal Glukose-behandelte Tiere eine deutlich verminderte neuronale Glukosesensitivität im Vergleich zu den unbehandelten Kontrolltieren. Damit einher ging eine signifikant verminderte Expression sowohl der hypothalamischen Glukosetransporter (GLUT1 und 3) als auch der Insulin- und Leptinrezeptoren (INSR, LEPR). Überraschenderweise war jedoch das DNA- Methylierungsmuster im Promotorbereich dieser Kandidatengene in beiden Gruppen unverändert und auch nicht zur mRNA-Expression korreliert. Es lässt sich somit festhalten, dass eine temporäre, pränatale Hyperglykämie im untersuchten Modellorganismus zu einer anhaltend verminderten neuronalen Glukosesensitivität führt, einhergehend mit einer verminderten mRNA-Expression von INSR, LEPR, GLUT1, GLUT3 in hypothalamischen Regelzentren, welche in die langfristige Regulation von Körpergewicht und Stoffwechsel maßgeblich involviert sind. Dies spricht für eine erworbene funktionelle und molekulare ’Glukose-Resistenz’ infolge pränataler Exposition gegenüber erhöhten Glukosespiegeln. Der Vogelembryo stellt somit ein geeignetes Modell dar, um Mechanismen der pränatalen Programmierung von physiologischen Funktionen zu induzieren und zu untersuchen. Entgegen allgemeiner Annahme und Arbeitshypothese ist dies jedoch nicht mit pränatal erworbenen Alterationen der jeweiligen Promotormethylierungen zu erklären. Eine zunehmend zu beobachtende, simplifizierende Favorisierung dieses Mechanismus pränataler Prägung bedarf insofern auch im translationalen Sinne unseres Erachtens einer kritischen Überprüfung und Relativierung, sowohl im adressierten Paradigma materno-fetaler Hyperglykämie als auch ganz grundsätzlich. Insgesamt lässt sich konstatieren, dass sowohl die Modellgenerierung als auch die Modellanwendung zur Überprüfung der Hauptfragestellung erfolgreich realisiert wurden. Damit wurde ein international methodisch als auch erkenntnistheoretisch innovativer Beitrag im geförderten Forschungssegment geleistet, der zu ebenso überraschenden wie translational wichtigen Erkenntnissen geführt hat. Innovationen aus dem Ei: wie sich Schwangerschaftsdiabetes auf das ungeborene Kind überträgt. Humboldtzeitung (Berichterstatter Dirk Maier, Humboldt-Redaktion). Humboldt 9 (2012/2013), www.hu-berlin.de/pr/zeitung

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • The significance of prenatal conditions. International Innovation, Research Media Ltd., Healthcare 21 (2013) 112-114
    Tzschentke B, Plagemann A
  • Perinatale Programmierung, neuro-endokrine Epigenomik und präventive Medizin – Das Konzept der Vegetativen Prägung. Nova Acta Leopoldina NF 120 (2014) 405: 197-225
    Plagemann A
  • Acquired alterations of hypothalamic gene expression of insulin and leptin receptors and glucose transporters in prenatally high-glucose exposed three-week old chickens do not coincide with aberrant promoter DNA methylation. PLoS One 10 (2015) e0119213
    Rancourt RC, Schellong K, Ott R, Bogatyrev S, Tzschentke B, Plagemann A
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1371/journal.pone.0119213)
  • Temporary prenatal hyperglycemia leads to postnatal neuronal ‘glucose-resistance’ in the chicken hypothalamus. Brain Res. 1618 (2015) 231-240
    Tzschentke B, Bogatyrev S, Schellong K, Rancourt RC, Plagemann A
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.brainres.2015.05.037)
 
 

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