Detailseite
Projekt Druckansicht

Das "Enregisterment" der Londoner Stadtsprache vom 19. Jahrhundert bis heute

Antragstellerin Dr. Johanna Gerwin
Fachliche Zuordnung Einzelsprachwissenschaften, Historische Linguistik
Förderung Förderung von 2020 bis 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 442826119
 
Die Studie untersucht das "Enregisterment" (Agha 2003, Johnstone et. al. 2006) der Londoner Stadtvarietäten Traditionelles Cockney, Estuary English (EE) und Multicultural London English (MLE). Der Begriff "Enregisterment" steht für die sozialen und historischen Prozesse, durch die eine bestimmte Sprechweise (ein Bündel sprachlicher Merkmale) für LaiensprecherInnen bemerkbar, mit sozialen Bewertungen und Bedeutungen verknüpft, und damit zu einem „Register“ wird. Zu solchen Prozessen gehören metapragmatische Aktivitäten wie das Benennen von Sprechweisen ("Estuary English", "Multicultural London English", "Jafaikan" etc.), die Produktion von (humoristischen) Dialektbüchern und ganz allgemein die öffentliche Diskussion und soziokulturelle Verarbeitung von bestimmten Sprechweisen (in Zeitungen, Onlineforen, Unterhaltungsmedien etc.) sowie die Verknüpfung von Sprechweisen mit Sprecherstereotypen, über die weitere soziale Bedeutungen transportiert werden. Meine Studie setzt am Beginn des 19. Jahrhunderts an, als der Cockneyakzent erstmals in literarischen Werken repräsentiert wurde. Hier stellen sich folgende Leitfragen: Welche sprachlichen Merkmale wurden verwendet, um auf den Cockneyakzent zu verweisen und wie haben sich diese Sprachstereotype im Laufe des 19. Jahrhunderts verändert? Welche sozial relevanten Bedeutungen, Werte und Personae wurden diachron gesehen mit ihrer Verwendung verknüpft? Welche Sprachideologien haben das Enregisterment des Cockney beeinflusst? Diese Leitfragen dienen auch als Gerüst für die Erweiterung der Studie ins 20. und 21. Jahrhundert, wenn zwei weitere Londoner Sprechweisen im Metadiskurs erwähnt und verhandelt werden, EE und MLE. Die Entstehung der drei Register hängt historisch zusammen und illustriert im Fall von EE, dass die Laienwahrnehmung einer neuen Sprechweise deren Existenz rechtfertigt, selbst wenn strukturell/linguistisch gesehen keine neuen linguistischen Merkmale zu beobachten sind. Gegenüber einer Analyse des öffentlichen Sprachmetadiskurs, wie er in den letzten Jahrzehnten in sechs englischen Tageszeitungen und einer Auswahl an kulturellen Produkten repräsentiert wurde, soll in einer Feldstudie mit soziolinguistischen Interviews bestimmt werden, wie die drei Londoner Sprechweisen aktuell unter Londoner SprecherInnen "enregistered" sind, d.h. welche sprachlichen Merkmale die Register jeweils definieren, welche sozialen Werte/Stereotype mit deren Verwendung verknüpft sind, welche Begriffe für Sprechweisen und SprecherInnen geläufig sind und inwiefern sich öffentliche Metadiskurse über Londoner Register in privaten widerspiegeln. Die Interviewantworten sollen als qualitativer Input für Fragebögen dienen, die einer größeren Subjektgruppe zugänglich gemacht und auch quantitativ ausgewertet werden können. Mit der Studie soll eine umfassende Sprach- und Sprecherkulturgeschichte der Londoner Stadtsprache vorgelegt werden, die den Fokus auf die Wahrnehmung und soziale Bedeutung von sprachlichen Variablen legt.
DFG-Verfahren Forschungsstipendien
Internationaler Bezug Großbritannien
 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung