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Praktiken des Sammelns. Postkoloniale Blicke auf die Fachsammlungen der Universität Tübingen

Antragsteller Dr. Carsten Gräbel, seit 10/2023
Fachliche Zuordnung Ethnologie und Europäische Ethnologie
Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung seit 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 442990411
 
Das Projekt interessiert sich für die Praktiken des Sammelns in den sich ausdifferenzierenden Fachdisziplinen der Universität Tübingen. Im Zentrum der Analyse stehen die umfangreichen Universitätssammlungen. Diese Sammlungen waren für Tübinger WissenschaftlerInnen einerseits Forschungsgrundlage und Fenster zur Welt. Andererseits waren sie Medien der Wissenspopularisierung und Schaufenster der Universität Tübingen in der Welt. Sie waren nicht nur Instrumente der Wissensproduktion und -zirkulation, sondern auch wichtige Bezugspunkte politischer und gesellschaftlicher Selbstverortung, Selbstvergewisserung und Selbstreflexion.Das Projekt analysiert die kolonialen und postkolonialen Bezüge dieser Sammlungen in sich globalisierenden Wissensordnungen. Empirische Ausgangspunkte sind die Ethnologische und die Paläontologische Sammlung, die sich angesichts des Stellenwerts für die Forschung ihrer Disziplinen und ihrer kontinuierlichen und relativ gut dokumentierten Erwerbungsgeschichte als besonders ergiebige Fallstudien anbieten.Die übergreifenden Leitfragen lauten: Was konkret hieß Sammeln in Kontexten, die wir heute als kolonial bezeichnen? Welche Wissensordnungen und Formen der Wissensproduktion basierten auf den Sammlungen – und wie wandelten sich diese im Lauf der Zeit? Wann, in welchem Maße und in welcher Weise reflektierten die beteiligten Akteure die politischen, gesellschaftlichen und ethischen Implikationen ihres Handelns? Im Zentrum stehen daher drei Analysekomplexe:(1) Sammeln und Ordnen: Was bedeutete Sammeln konkret für die einzelnen Fächer? Wie entstanden die Sammlungen? Woher stammten die Objekte? Nach welchen Prinzipien wurden sie geordnet, gepflegt und für den fachlichen Gebrauch oder Ausstellungszwecke aufbereitet? Welchen Stellenwert hatten sie in der Forschungspraxis und der Lehre? Veränderten sich die fachlichen Funktionen der Sammlungen im Laufe der Zeit?(2) Wissensproduktion und -zirkulation: Welche Formen des Wissens wurden auf Basis der Sammlungen zu unterschiedlichen Zeiten generiert? In welche inneruniversitären, regionalen, nationalen und transnationalen Netzwerke waren die SammlerInnen eingebunden? Inwieweit dienten ihnen die Sammlungen als Mittlerinstanz und Türöffner innerhalb sich globalisierender scientific communities?(3) Selbstverortung und Selbstreflexion: An welchen ethischen Standards und ideologischen Leitbildern orientierten sich die SammlerInnen? Welche politischen und gesellschaftlichen Vorstellungen und Ziele verbanden sie mit ihrer Tätigkeit? Inwieweit waren ihnen die kolonialen Kontexte und Voraussetzungen ihres Handelns bewusst? Kam es über die fachliche Aneignung hinaus auch zu einer kulturellen Aneignung von Sammlungen und Objekten?Innerhalb des Paketantrags erfüllt das Projekt eine unverzichtbare Funktion, indem es die Provenienzen, die Erwerbungskontexte und die Zusammensetzung ausgewählter Sammlungen systematisch rekonstruiert und in Form von Objekt- und Sammlerbiographien nachvollziehbar macht.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
Ehemaliger Antragsteller Professor Dr. Johannes Großmann, bis 9/2023
 
 

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