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Stratigraphien des Wissens. Archäologische Poiesis und die Hermeneutik der (Post)Moderne
Antragstellerin
Dr. Mira Shah
Fachliche Zuordnung
Germanistische Literatur- und Kulturwissenschaften (Neuere deutsche Literatur)
Allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft; Kulturwissenschaft
Wissenschaftsgeschichte
Allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft; Kulturwissenschaft
Wissenschaftsgeschichte
Förderung
Förderung von 2020 bis 2023
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 443089765
Das Forschungsprojekt untersucht die Poiesis der Archäologie und ihre Beziehung zur Hermeneutik von um 1800 bis in die Gegenwart. Die prähistorische Archäologie ist wegen der ihr eignenden grundsätzlich hermeneutischen Verfahren und ihrem Stand als Wissenschaft von der Vorgeschichte des Menschen besonders interessant für die Literaturwissenschaft: Die archäologischen Verfahren zur Interpretation der Vergangenheit, besonders die ethnologische Analogie, und das durch sie zutage geförderte Wissen über die Prähistorie, machen sie zunächst zu einem populären Gegenstand der Literatur im 19. Jahrhundert, zu einem argumentativen Baustein von Kulturtheorien der Moderne um 1900 und schließlich zu einem Metaphernspender für die Tätigkeiten und Projekte der Geisteswissenschaften im 20. und 21. Jahrhundert im Kontext einer Neurorientierung, die sich an der Hermeneutik als Grundzug von Wissenschaft abarbeitet. In diesem Sinne lassen sich drei Schichten des Wissens untersuchen: Erstens geht es um das hermeneutische Denken in der Archäologie, wie es in der ethnologischen Analogie, die im Zuge der Erfindung der Steinzeit zum Paradigma archäologischer Poiesis wird, am deutlichsten zum Ausdruck kommt und am meisten Tragweite bis in die Gegenwart und in die Methodenreflexion der Archäologie selbst hinein besitzt. Zweitens interessiert die Bedeutung archäologischer Poiesis für Kulturen des Wissens: Seit spätestens Mitte des 19. Jahrhunderts führt die ethnologische Analogie zu einem Aufschwung der Ethnologie als Hilfswissenschaft für das Verstehen europäischer Prähistorie. Besonders die Steinzeit wird als Vorstellungswelt immer wichtiger und immer weiter ausgestaltet: Literarische Bearbeitungen der Grabungsarbeiten, -figuren und -ergebnisse nehmen das produktive literarische Vermögen ernst: In der Rückprojektion moderner Bedürfnisse und Subjektivitäten, bspw. im populären Genre der prähistorischen Fiktion, soll eine Nachbildung fremden Lebens in sich herbeizuführen versucht werden. Diese epistemische, welterklärende und -gestaltende Funktion der Steinzeit reicht bis in unsere von Paläodiäten und paläoanthropologisch begründeten Geschlechter-, Gesellschafts- und Verhaltensmodellen geprägte Gegenwart. Dritten schließlich steht die Rolle der Archäologie für hermeneutische Theorie und ihrer Kritik im Fokus, d.h. die Produktivität, die die Archäologie unter vielfältiger Neufassung ihrer Kernkompetenzen als Metaphernspender im 20. Jahrhundert, sowie für eine Neukonfiguration der Geisteswissenschaften um 2000 herum eingenommen hat: Grabungen, Spuren, Artefakte, Material und schließlich die Arbeit am Archiv sind hier Begriffe, die für eine Beschäftigung mit der Funktion der Archäologie für die (Anti-)Hermeneutik der (Post)Moderne und ihre Hinwendung zu Kulturtechniken als epistemischem Gegenstand von Interesse sind.
DFG-Verfahren
WBP Stelle
