Detailseite
Projekt Druckansicht

Koordinationsfonds

Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Alte Geschichte
Empirische Sozialforschung
Mittelalterliche Geschichte
Praktische Philosophie
Soziologische Theorie
Förderung Förderung seit 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 413222647
 
Die Forschungsgruppe untersucht Freiwilligkeit als Movens menschlichen Handelns und modus operandi gesellschaftlicher und politischer Ordnung in Geschichte und Gegenwart. Zentrale Annahme ist, dass Freiwilligkeit eine antinomische Struktur besitzt, sie also als Freiheitsakt ausgeübt wird, dies aber zugleich innerhalb vielfältiger Bedingungsverhältnisse geschieht, die bestimmte Handlungsweisen erst möglich, angemessen und sogar angebracht erscheinen lassen. Innerhalb dieser Grundkonstellation fragen wir in neun empirischen Teilprojekten (a) nach Freiwilligkeit als Norm, (b) nach Freiwilligkeit als Ressource, und zwar für politische Partizipation und Anerkennung ebenso wie für ökonomische Ausbeutung, und (c) nach Freiwilligkeit als diskursive Strategie zur liberal-demokratischen Legitimation von solchen Politiken und Ordnungen, die den Individuen letztlich nur wenig Spielräume lassen. Freiwilligkeit empirisch zu untersuchen schärft den Blick für die historische und politische Bedeutung von Akteur*innen sowie für Bedingungsverhältnisse ihres politischen und gesellschaftlichen Tuns und Mittuns.Im Sinne einer Geschichte der Gegenwart speist sich unser Erkenntnisinteresse aus der aktuell großen Bedeutung und Wirkungsweise von Freiwilligkeit in neoliberalen Gesellschaften. Von Teilprojekten über Freiwilligkeit als Ressource politischer Teilhabe ebenso wie als Ressource der Wertschöpfung im flexiblen Gegenwartskapitalismus ausgehend, entwickeln wir historische Genealogien von Freiwilligkeit. Von zentraler Bedeutung ist die Entstehung und Konturierung des demokratisch-liberalen Bürgers und Subjekts seit dem späten 18. Jh., das sich durch Selbstverantwortung, Freiwilligkeit und den Willen zur Investition in sich selbst und die eigene Zukunft auszeichnen soll. Diesen Spuren einer in freiwilligem Engagement gründenden Lebensform folgen wir über die entstehenden USA und moderne Gesellschaften hinaus und bis in das antike Athen. Zugleich „provinzialisieren“ (D. Chakrabarty) wir den Nexus von Demokratie, Liberalismus und Freiwilligkeit mehrfach, indem wir nach religiös motivierter Freiwilligkeit im mittelalterlichen Martyrium fragen, nach den Bedeutungen freiwilligen „Mitmachens“ in Diktaturen sowie nach dem Verhältnis von Freiwilligkeit, Dekolonisation und globalen Migrationspolitiken. Entsprechend ist die Forschungsgruppe im Kern historisch angelegt, mit weiteren zentralen Teilprojekten aus der Politischen Soziologie und der Praktischen Philosophie.Die Kulturgeschichte des Politischen und die Gouvernementalitätsstudien prägen unsere analytische Perspektive, die darauf ausgerichtet ist, Freiwilligkeit und freiwillige Handlungsweisen innerhalb eines Geflechts von Fremd- und Selbstführung, von Diskursen, Programmatiken und Subjektivierungsweisen zu verstehen. Aus der interdisziplinären und empirischen Arbeit heraus werden wir neue Impulse in die konzeptionellen Debatten einbringen und Freiwilligkeit als Kernaspekt gouvernementalen Regierens präziser fassen.
DFG-Verfahren Forschungsgruppen
 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung