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Martyrium und Freiwilligkeit im europäischen Hoch- und Spätmittelalter
Antragstellerin
Professorin Dr. Sabine Schmolinsky
Fachliche Zuordnung
Mittelalterliche Geschichte
Förderung
Förderung seit 2020
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 413222647
Thema des Teilprojekts ist das Martyrium, das als Geschehen oder Praktik Menschen christlichen oder durch Verketzerung seitens der römischen Kirche als dissident eingestuften Glaubens fundamental betroffen hat. Die den Martyrien zugrunde liegenden Diskurse über Freiwilligkeit in der Bereitschaft zum Martyrium sollen analysiert werden. Agency wird dabei konturiert als Agency derjenigen, die Martyria diskursiv konstruiert haben, und als Agency der Märtyrer*innen selbst. Freiwilligkeit im Einsatz der eigenen Person wirft zudem Fragen nach Subjektbildung und nach Geschlecht auf.Erstens wird Freiwilligkeit bei Martyria herausgearbeitet, die im Kontext der hoch- und spätmittelalterlichen Stabilisierung des Christentums in europäischen Ländern standen. Hier stellen die Franziskaner einen Ansatzpunkt für das Teilprojekt dar. Martyria wurden zudem spirituell erlebt und als virtuelle Martyria, etwa in Texten dominikanischer oder franziskanischer Provenienz, diskursiv produziert. Zweitens sollen freiwillige Tode von verketzerten Menschen untersucht werden. Hier kann bei den Katharern angesetzt werden. Eine dissidente Martyriumsbereitschaft von Frauen lässt sich zudem bei den böhmischen Hussit*innen untersuchen. Eine Hypothese des Teilprojekts lautet, dass Freiwilligkeit martyriumsaffine Frauen des europäischen Hoch- und Spätmittelalters nur bei Zugehörigkeit zu dissidenten Glauben zu Martyria gelangen ließ. Drittens fragt das Teilprojekt nach den Potenzialen von Subjektivierung, die in Martyria und in deren diskursiver Erzeugung entstanden sind. Viertens wird das Teilprojekt zur konzeptionellen Schärfung des Verhältnisses von Freiwilligkeit und Agency in der Mediävistik und darüber hinaus beitragen.Die mediävistische Relevanz des Teilprojekts besteht darin, ein neues Feld für Diskurse und Praktiken der Freiwilligkeit zu eröffnen. Erstmals werden die Martyria kirchenkonformer Christ*innen und Verketzerter zusammengeführt. Freiwilligkeit fungiert dabei als Bindeglied. Zudem werden die Fragen von Agency, Eigen-Sinn und Subjektbildung in der Mediävistik vorangebracht.Im Blick auf die Forschungsgruppe führt das Teilprojekt in das Hoch- und Spätmittelalter und analysiert Freiwilligkeit in religiös konnotierter Selbstaufopferung. Das Teilprojekt adressiert das Problem von Systemkonformität, Widerständigkeit und Freiwilligkeit aus vormoderner Perspektive. Große Synergien werden insbesondere in der Zusammenarbeit mit den Teilprojekten erzeugt werden, deren Akteur*innen ebenfalls an den Grenzen ihrer Existenz handeln oder behandelt werden.Das Teilprojekt nutzt Methoden der Historischen Diskursanalyse. Dabei kann sich diskursiver Wandel aus dem Vergleich unterschiedlicher Versionen eines Textes in der mittelalterlichen Überlieferung in Handschriften und später auch Drucken ergeben. Das Korpus einschlägiger schriftlicher Quellen speist sich aus hoch- und spätmittelalterlichen historiografischen wie auch hagiografischen Texten.
DFG-Verfahren
Forschungsgruppen
Teilprojekt zu
FOR 2983:
Freiwilligkeit