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Freiwilliges Mitmachen in den beiden deutschen Diktaturen
Antragstellerin
Professorin Dr. Christiane Kuller
Fachliche Zuordnung
Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung
Förderung seit 2020
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 413222647
Thema des Projektes ist das freiwillige systemkonforme Handeln von Mitarbeiter*innen der staatlichen Verwaltung in den beiden deutschen Diktaturen des 20. Jahrhunderts, das in je einer Studie für den Nationalsozialismus und die DDR untersucht wird. Meist wird solches Handeln mit ideologischer Überzeugung gleichgesetzt. Diese Annahme verstellt den Blick auf das breite Spektrum an Motivationen und die darin eingegossenen Antinomien in der Herrschafts- und Alltagswirklichkeit der Diktaturen. Das Teilprojekt geht hingegen, anschließend an das Konzept von "Eigen-Sinn" (Lüdtke), von einem subjektbezogenen Untersuchungsansatz aus, der individuelle Sinndeutungen ausleuchtet. Besondere Aufmerksamkeit richtet das Teilprojekt im Anschluss an Michel Foucaults Gouvernementalitätsforschungen auf das Verhältnis von Fremdführung und Selbstregierung, das angesichts von Zwang und Gewalt in Diktaturen eine besondere Spannung erfährt. Denn wenn auch die gewalthafte Erzwingung konformen Handelns als legitim galt, ist zu fragen, wie Freiwilligkeit dazu ins Verhältnis zu setzen ist.Das Teilprojekt verfolgt vier Ziele: Erstens fügt es den bisher dominierenden politik- und organisationsgeschichtlichen Forschungsansätzen der Verwaltungsgeschichte die neue, vielfach als Desiderat benannte Analyseebene der subjektiven Sinngebungen der handelnden Akteure hinzu. Zweitens wird in der Zusammenschau mit Forschungen zu widerständigem Handeln, die bereits individuelle Motive ausloten, ein Gesamtblick auf Handlungsmotivationen unter diktatorischer Herrschaft eröffnet. Das TP leistet drittens einen Beitrag zur Debatte über die "neue Staatlichkeit" in den beiden deutschen Diktaturen, indem es diverse, z.T. auch längerfristig wirksame Wissensordnungen und Machtlogiken sichtbar macht. Viertens ist das Projekt Prüfstein für die Anwendung des Ansatzes der Forschungsgruppe auf Diktaturen. Über das Vehikel der Freiwilligkeit sollen Unterschiede wie auch Ähnlichkeiten in der gesellschaftlichen Organisation von Diktaturen und Demokratien trennschärfer herausgearbeitet werden. Das Teilprojekt untersucht das Thema Freiwilligkeit in den Normerwartungen der Machthaber, als Ressource der Selbstwirksamkeit für individuelles Handeln sowie als strategische Selbststilisierung. Dazu werden veröffentlichte und unveröffentlichte Materialien der zeitgenössischen Diskussion über Verwaltungskultur im Hinblick auf die Bezüge zur Normerwartung Freiwilligkeit ausgewertet. Dem stellen die Studien ausgewählte regionale und lokale Fallbeispiele gegenüber. Die methodischen Herausforderungen bestehen hier v.a. im formalisierten Charakter der zeitgenössischen Quellen. Das Teilprojekt wird daher auf Konflikte und außergewöhnliche Konstellationen fokussieren, die explizite Klärungsprozesse anstoßen, und Quellen einbeziehen, die aus postdiktatorischer Sicht auf diese Fälle blicken.
DFG-Verfahren
Forschungsgruppen
Teilprojekt zu
FOR 2983:
Freiwilligkeit