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Die prothorakalen Wehrdrüsen der Stab- und Gespenstschrecken: Rekonstruktion der morphologischen und chemischen Evolution eines hoch entwickelten Verteidigungssystems bei Arthropoden

Fachliche Zuordnung Systematik und Morphologie der Tiere
Biochemie und Physiologie der Tiere
Evolution, Anthropologie
Förderung Förderung seit 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 445558934
 
Tiere stehen stetig unter starker Selektion zur Vermeidung von Prädation. Somit sind Räuber-Beute-Interaktionen wesentliche Antriebskräfte der Evolution, die eine Fülle effektiver Verteidigungsstrategien hervorbrachte. Färbung gilt als eine der offensichtlichsten primären Verteidigungsstrategien und kann zum einen der Tarnung oder Krypsis dienen, andererseits Prädatoren Giftigkeit und Ungenießbarkeit signalisieren. Beide Strategien haben die Stab- und Gespenstschrecken (Phasmatodea) entwickelt, eine mesodiverse Linie großer herbivorer Landarthropoden, die dafür bekannt sind, in bemerkenswerter Weise Teile von Pflanzen zu imitieren. Die meisten Arten sind nachtaktiv und tarnen sich tagsüber regungslos als Zweige, Blätter oder Rinde. Nur wenige Arten zeigen hingegen auffällige Formen von Aposematismus (Warnfärbung), um den Gebrauch ihrer wirkungsvollen prothorakalen Wehrdrüsen anzudrohen. Das Versprühen chemischer Substanzen aus diesen Drüsen ist nur eine von vielen sekundären Verteidigungsstrategien der Phasmatodea, also der Strategien, die nach Entdeckung durch einen Prädator zur Anwendung kommen. Hierzu gehören Aufzeigen von Schrecktrachten, Abwehrstridulation, Totstellreflex oder Flucht, Abwerfen von Gliedmaßen oder Angriff mit Hilfe stark bewehrter Beine. Obgleich die meisten Arten weitgehend auf ihre kryptische Erscheinung vertrauen, besitzen sie ein erstaunlich elaboriertes sekundäres Verteidigungssystem. Die Wehrdrüsen im Prothorax gelten als weit verbreitet unter den Stabschrecken und sind zudem ein abgeleitetes Grundmustermerkmal (Autapomorphie) aller Phasmatodea. Die chemischen Substanzen, die bei diesem wirkungsvollen Abwehrmechanismus zum Einsatz kommen, sind bisher nur für ein Dutzend der über 3000 beschriebenen Arten bekannt, wobei diesbezügliche Informationen für zahlreiche Großgruppen und Schlüsseltaxa noch vollständig fehlen. Das Ziel des Projektes ist es, (i) das Vorhandensein und die anatomische Diversität der Wehrdrüsen anhand einer repräsentativen Auswahl von 100 Arten der Phasmatodea zu dokumentieren, (ii) die Abwehrsubstanzen chemisch zu identifizieren und (iii) die schrittweise anatomische und chemische Evolution dieses Verteidigungssystems zu rekonstruieren. Die gewonnenen Informationen werden kombiniert mit bestehenden Daten zu Körperform, Bedornung, Färbung sowie Verhalten, um evolutive Zusammenhänge sowie Transformationen von Schlüsselmerkmalen mit potenziellem Effekt auf die Diversifikationsraten der Stab- und Gespenstschrecken aufzudecken. Die wenigen bislang bekannten Abwehrsubstanzen weisen eine überraschend große Diversität bei den untersuchten Arten auf. Bereits ermittelte Substanzen zeigen spezifische Eigenschaften bezüglich (von Menschen wahrnehmbarer) charakteristischer Gerüche oder der Fähigkeit zu Hautirritationen und umfassen auch zuvor unbekannte Naturprodukte. Daher erwarten wir zudem, die Bedeutung der Phasmatodea als Quelle neuer bioaktiver chemischer Verbindungen herausstellen zu können.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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