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Soziale Emotionen und die Erfahrung von Politik im Alltag. Eine Interaktionstheorie politischen Verhaltens und ihre empirische Überprüfung

Antragsteller Professor Dr. Paul Marx
Fachliche Zuordnung Politikwissenschaft
Förderung Förderung seit 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 446148512
 
Variation in politischem Verhalten – etwa Wählen, Demonstrieren oder über Politik Diskutieren – ist Gegenstand einer umfänglichen Forschung. Die Mikro-Prozesse, die zu diesen Verhaltensweisen motivieren, bilden allerdings immer noch einen blinden Fleck. Das übergeordnete Ziel des Projekts ist, zum theoretischen Verständnis eben dieses Aspekts beizutragen. Hierfür entwickelt es eine Theorie, in der die Motivation für politische Aktivitäten aus emotionalen Dynamiken in Alltagsinteraktionen (oder „Ritualen“) abgeleitet wird. Ein zweites Ziel ist, den empirischen Mehrwert dieser Theorie aufzuzeigen. Das zentrale (und neue) Argument besagt, dass die situative Qualität sozialer Interaktionen einen unabhängigen kausalen Einfluss auf politische Präferenzen hat – sowie auf die Bereitschaft, sie in Handlungen zu übertragen. Als theoretischen Beitrag entwickelt das Projekt eine relationale Perspektive, die an Randall Collins‘ einflussreicher Mikrosoziologie anknüpft. Im Mittelpunkt steht ein von biologischer und psychologischer Forschung untermauertes Argument: Kognitionen, wie politische Einstellungen, motivieren nur dann Verhalten, wenn sie in rhythmisch koordinierten Interaktionen emotionale Resonanz erhalten. Solche „Rituale“ werden als zentraler relationaler Mechanismus vorgeschlagen, der die relative Bedeutung verschiedener politischer Kognitionen erklären kann. Damit füllt das Projekt eine Lücke in bestehenden Theorien politischen Verhaltens. Diese bieten keine Antwort auf die entscheidende Frage, wie Menschen aus der Vielzahl kognitiver Einflüsse (wie Werten, Interessen oder Identitäten) einige als verhaltensrelevant „auswählen“. Durch die Formulierung einer generellen motivationalen Grundlage für politisches Verhalten überwindet das Projekt die Fragmentierung bestehender Argumente und integriert sie in eine vollständigere Kausalkette. Das Projekt geht über die Anwendung von Collins‘ Mikrotheorie hinaus, indem es die Einbettung von Ritualen in gesellschaftliche Diskurse und Ideologien einbezieht. Ziel der theoretischen Arbeit ist, sowohl situativen Mikrodynamiken als auch Erklärungen auf der Makroebene gerecht zu werden.In seinem empirischen Beitrag wird das Projekt Neuland betreten, indem es auf innovative Weise qualitative mit kausalitätsorientierten Ansätzen kombiniert. So ermöglicht es ein tieferes Verständnis der komplexen Dynamiken in politischen Ritualen sowie einen anspruchsvollen Test ihrer Wirkung auf politische Präferenzen. Die Grundlage hierfür bieten politische Diskussionen in Fokusgruppen. Diese Gespräche bieten reichhaltiges Material für qualitative Beobachtungen. Gleichzeitig erlauben sie, über para-linguistische Indikatoren die Qualität der Interaktionen zu quantifizieren und Korrelationen mit politischen Präferenzen zu berechnen. Einen noch stärkeren Test erlaubt die Randomisierung der Gruppenzusammensetzung, durch welche die Wahrscheinlichkeit funktionierender Rituale experimentell manipuliert werden kann.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
Mitverantwortlich Professor Dr. Achim Goerres
 
 

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