Dichte Begriffe und Objektivität
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Dieses Forschungsprojekt befasste sich mit der Bedeutung von sogenannten „dichten“ Ausdrücken wie unverschämt und mutig. Anders als die Bedeutung von „dünnen“ Ausdrücken wie gut oder soll, welche rein normativ ist, scheint die Bedeutung von dichten Ausdrücken normative und deskriptive Aspekte miteinander zu vereinen. Eine bemerkenswerte Eigenschaft dichter Ausdrücke ist, dass ihre Bedeutung uns scheinbar dazu berechtig, von bestimmten deskriptiven Sätzen auf Sätze mit dichten Ausdrücken und von da auf Sätze mit dünnen Ausdrücken zu schließen, und somit die Sein-Sollen-Kluft zu überbrücken scheint. So scheint beispielsweise die Bedeutung von unverschämt uns dazu zu berechtigen von „Lisas Bemerkung erregte aufgrund ihrer Respektlosigkeit Anstoß“ auf „Lisas Bemerkung war unverschämt“ und von da auf „Lisas Bemerkung war pro tanto falsch“ zu schließen. Natürlich ist es problematisch, diesen Eindruck für bare Münze zu nehmen (nicht zuletzt weil einige dichte Ausdrücke kritikwürdig sind insofern in ihre Bedeutung veraltete oder anderweitig problematische Werte eingeschrieben zu sein scheinen). Aber diesen Eindruck zu ignorieren wäre auch falsch. Im Zuge dieses Forschungsprojektes konnte ich zeigen, dass alle bereits vorliegenden Theorien zur Bedeutung dichter Ausdrücke nicht dazu in der Lage sind, zufriedenstellend mit diesen und anderen ähnlichen Schwierigkeiten umzugehen. Daher entschloss ich mich dazu, auf Basis einer gründlichen Analyse ihrer Schwächen eine neue Theorie zu vorzuschlagen: eine inferentialistische Theorie der Bedeutung dichter Ausdrücke. Dieser Theorie zufolge muss man, um die Bedeutung eines dichten Ausdrucks anzugeben, sowohl die Bedingungen der Behauptbarkeit von Sätzen mit dem Ausdruck angeben, als auch die Folgen der Behauptung dieser Sätze. Ein extrem vereinfachtes Modell der Bedeutung von unverschämt könnte demnach so aussehen: Bedingung der Behauptbarkeit: Wenn x aufgrund seiner / ihrer Respektlosigkeit Anstoß erregt, dann ist x unverschämt. Folge der Behauptung: Wenn x unverschämt ist, dann ist x pro tanto falsch. Aus meiner Theorie der Bedeutung dichter Ausdrücke folgt, dass sich der erwähnte Eindruck, dass dichte Ausdrücke die Sein-Sollen-Kluft überbrücken bzw. dass in ihre Bedeutung substantielle Werte eingeschrieben sind, bewahrheitet. Da dies ein sehr kontroverse These ist, war ich im Rahmen der Ausarbeitung meiner Theorie vor allem damit beschäftigt, Einwände abzuwehren und Probleme zu lösen. Den Verdacht, dass die Sprache uns meiner Theorie zufolge zwingen kann, falsche Werte zu akzeptieren, konnte ich beispielsweise ausräumen, indem ich mich auf die Idee berief, dass wir die Bedeutung unserer Ausdrücke in Frage stellen und verhandeln können. Wenn ich Recht habe, dass in die Bedeutung dichter Ausdrücke substantielle Werte eingeschrieben sind, dann hat das wichtige Implikationen für unser Verständnis des Scheiterns öffentlicher Diskurse in gespaltenen Gesellschaften (aneinander vorbeireden, Missbrauch von Sprache, etc.) und andere angewandte Problemstellungen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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“Inferentialism about Thick Terms”. Presented at GAP.11 at the Humboldt University Berlin on 13- 09-2022.
Irina Schumski
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“The Semantic View of Thick Terms: Inferentialism to the Rescue”. Presented at FrankMeta.4 at the Frankfurt School of Finance & Management on 04-06-2022.
Irina Schumski
