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Ein Mixed-Methods-Programm für die Analyse schwach strukturierter Gattungen. Ästhetische und soziale Funktionen der Erzählungen und Novellen im 19. Jahrhundert.

Fachliche Zuordnung Germanistische Literatur- und Kulturwissenschaften (Neuere deutsche Literatur)
Förderung Förderung von 2020 bis 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 449668519
 
Erstellungsjahr 2023

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Zur Novelle, die als eine der Leitgattungen der deutschen Literatur des 19. Jahrhunderts gilt, gibt es zwei widersprüchliche Auffassungen. Eine Seite der Forschung hält sie für eine strenge Form, die von einem unspezifischeren Begriff der Erzählung abzugrenzen sei. Die andere Seite ist davon überzeugt, dass Novellen und Erzählungen überhaupt keine unterscheidbaren Gattungen bilden, sondern eine große Masse. Entgangen ist der Forschung dabei die spezifische Dialektik des Novellenbegriffs: Die Novelle ist eine Gattung mit poetologischer Regulierungserwartung bei weitgehend unterbestimmter Schreibpraxis. Ziel des Projekts ist es, den Widerspruch in der Forschung und die strukturelle Dialektik des Novellenbegriffs aufzuklären. Da die Novellen des 19. Jahrhunderts ein mediales Massenphänomen sind, entwickelt das Projekt seine Methoden im Rahmen der korpusbasierten computational literary studies (CLS). Erste Aufgabe ist die Bereitstellung eines Modells, das der Heterogenität und der losen Struktur von Gattungen Rechnung trägt. Ein solches Modell standen bislang weder der computergestützten Gattungsstilistik noch der philologischen Gattungsforschung zur Verfügung. Die zentralen Erfolge und Erkenntnisse des Projekts sind: (1) die Bereitstellung eines Modells der sozialen Komplexität literaturgeschichtlichen Wandels und die mit statistischen Mitteln geleistete Identifikation medialer Faktoren, die den literarischen und gattungssemantischen Wandel erklären; mit (2) romanischem Setting und (3) Spannung die Operationalisierung komplexer und zum Teil in den Novellenpoetiken postulierten Textmerkmale sowie der empirische Nachweis von deren Relevanz in der historischen Konfiguration von Gattungssemantiken; (4) die Formalisierung distanzbasierter (d.h. stilometrischer) Textgruppenanalysen; (5) eine innovative Modellierung von semantischem Wandel, die Vagheit und Offenheit der begrifflichen Struktur von prototypensemantisch organisierten Gattungskonzepten berücksichtigt; und schließlich (6) der Nachweis, dass sich der Gebrauch der Gattungsbegriffe in Teilen besser über Kontexte der sozialen Interaktion erklären lässt als über Textmerkmale. Alle sechs Ergebnisse sind methodologisch und empirisch eigenständige Forschungsbeiträge, die es künftiger computergestützter Gattungsstilistik erlauben, kontextsensitive Forschungsfragen historisierend zu beantworten. Die dialektische Struktur des Novellenbegriffs wird so in einem hypothesengeleiteten Forschungsdesign auf empirischer Basis eines neuen Korpus nachgewiesen und mit Tiefenschärfe nachgezeichnet. Zusammen genommen zeigen die empirischen Ergebnisse, dass es die Novelle als Textsorte zwar gab, aber in einem schwächeren und anderen Sinn, als die Poetiken des 19. Jahrhunderts forderten.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • »Modeling Prototypicality for Genre Concepts« (Poster Presentation: iSchool Showcase, University of Illinois at Urbana-Champaign).
    Schröter, Julian
  • »Representing and Modeling Cultural Relevance in Corpora for Historical Analysis.« In: The Book of Abstracts of DH 2022, 686–87. Tokyo
    Schröter, Julian
  • »Validating Topic Modeling as a Method of Analyzing Sujet and Theme.« In: Journal of Computational Literary Studies 1: o.S.
    Schröter, Julian & Keli Du
  • Ein digitales Korpus der Novellen und Journalprosa des 19. Jahrhunderts. University Goettingen.
    Julian, Schröter; Johannes, Leitgeb & Theresa, Valta
  • PyNovellaHistory: Python Code for the Project on the History of the German 19th- Century Novella.«.
    Schröter, Julian
  • »Heftromane: Python Code for a Study on Suspense in German Dime Novels (Dt. Heftromane).«
    Schröter, Julian
  • »Mixed Methods.« In: Begriffe der Digital Humanities. Ein diskursives Glossar, hg. v. AG Digital Humanities Theorie des Verbandes Digital Humanities im deutschsprachigen Raum e. V. Wolfenbüttel (Zeitschrift für digitale Geisteswissenschaften / Working Papers, 2), o.S.
    Schröter, Julian
  • »›Spannung Ist Männersache‹? Zur Quantitativen Analyse von Suspense in Heftromanen.« In: Heftromane. KODEX. Jahrbuch Der Internationalen Buchwissenschaftlichen Gesellschaft, 282–299.
    Schröter, Julian
 
 

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