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Zwickerton und Tinnitus

Antragsteller Dr. Achim Schilling
Fachliche Zuordnung Kognitive, systemische und Verhaltensneurobiologie
Förderung Förderung seit 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 451810794
 
In westlichen Gesellschaften beträgt die Prävalenz des subjektiven Tinnitus, definiert als die Wahrnehmung von Schall in Abwesenheit einer physikalischen Schallquelle, bis zu 15% der Allgemeinbevölkerung. Diese Phantomwahrnehmung kann zu einer schweren psychischen Belastung und im Extremfall sogar zu Selbstmord führen. Neuere Studien zur Tinnitusentwicklung deuten darauf hin, dass Tinnitus immer mit Hörverlust verbunden ist, obwohl dieser Hörverlust möglicherweise zu schwach ist, um durch die Messung von Reinton-Audiogrammen (sog. "versteckter Hörverlust") identifiziert zu werden. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass das Vorhandensein eines Tinnitusperzeptes immer mit einer neuronalen Hyperaktivität entlang der gesamten Hörbahn einhergeht. Vor kurzem hat unsere Arbeitsgruppe eine neuartige mechanistische Erklärung der neuronalen Hyperaktivität entlang der Hörbahn entwickelt. Hierbei schlagen wir vor, dass die stochastische Resonanz, ein in den Neurowissenschaften gut etabliertes Prinzip, die mechanistische Erklärung für die neuronale Hyperaktivität entlang der Hörbahn ist. Zusätzlich zu einer Tinnituswahrnehmung bietet unser neuartiges Modell auch eine Erklärung für das sogenannte Zwickertonperzept. Der Zwickerton ist eine Phantomwahrnehmung, die durch die Präsentation eines lauten Breitbandrauschens mit einer spektralen Lücke (genotchtes Rauschen) in einem bestimmten Frequenzband ausgelöst wird. Das spektral genotchte (gekerbtes) Rauschen kann als Modell für einen temporären, frequenzabhängigen Hörverlust angesehen werden, da das Gehör im Bereich der Notchfrequenz weniger Input erhält als in den umgebenden Frequenzbereichen. Nach unserem Modell führt dieser reduzierte Input zu einer Erhöhung des Eigenrauschens (neuronales Rauschen) in diesem Frequenzbereich und damit zu einer temporären tinnitusartigen Wahrnehmung, dem Zwicker-Ton. Ziel des Vorhabens ist es, die kortikale, neurophysiologische Korrelate des Zwicker-Tons als Modell für transienten Tinnitus mit Hilfe von in vivo kortikalen Aufnahmen zu analysieren. Parallel dazu werden wir ein neuartiges Verhaltensparadigma entwickeln und kreuzweise validieren, welches auf dem 2006 von Turner eingeführten Standardparadigma (GPIAS) basiert, um den Zwicker-Ton bei Nagetieren objektiv zu messen. Das Paradigma wird neue Erkenntnisse über die Frequenzspezifität des GPIAS-Paradigmas sowie weitere Informationen über die Validität der "filling-in" Hypothese liefern. Diese Experimente sind wichtig für die Tinnituscommunity, da das GPIAS-Paradigma ein weit verbreitetes Verhaltensparadigma zum Tinnitus-Screening bei Nagetieren ist, ohne ausreichend validiert worden zu sein. Die wichtigsten Ziele der elektrophysiologischen Messungen sowie der Verhaltenstests sind es, unsere modellbasierten Vorhersagen auf Zwicker-Ton zu testen, das GPIAS-Paradigma für das Tinnitus-Screening zu validieren und schließlich den Einfluss der cross-modalen Stimulation auf die auditorische Phantomwahrnehmung zu verstehen.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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