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Tier-Memoria in der Vormoderne: Adaption, Reflexion und Entwicklung alteritärer Formen des Gedenkens

Antragsteller Dr. Fabian Jonietz
Fachliche Zuordnung Kunstgeschichte
Förderung Förderung seit 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 451909745
 
In den vergangenen Jahrzehnten haben Mensch-Tier-Beziehungen in nahezu allen geisteswissenschaftlichen Disziplinen enorme Aufmerksamkeit erfahren. Dem Umgang mit dem Verlust eines Tieres kommt dabei, wie vor allem sozialanthropologische, philosophische und kulturwissenschaftliche Studien gezeigt haben, eine besondere Rolle zu, um das ambivalente Verhältnis des Menschen zu nicht-menschlichen Lebewesen zu verstehen: Während auf der einen Seite die Ausschlachtung des Körpers von Nutztieren als Material- und Nahrungsquelle quantitativ absolut dominiert, so zeugen auf der anderen Seite ‒ im Fall geliebter Heim- oder verehrter Sport- und Militärtiere ‒ Übernahmen etablierter Funeral-Rituale und Gedenkformen von menschlichen Versuchen, die "anthropologische Differenz" (M. Wild) zum tierischen Individuum kaschieren oder überwinden zu wollen.Seit der anbrechenden Neuzeit bilden postmortale Ehrungen von Tieren jedoch vor allem auch einen wichtigen Bereich, in dem sich allgemeine Reflexionen der menschlichen Vergänglichkeit spiegeln und sich die Entstehung jener Modelle und Normwandlungen nachvollziehen lässt, mit denen wir dem Verlust unserer Mitmenschen begegnen und gedenken. Drei zentrale Aspekte der Tier-Memoria, die von der bisherigen Forschung bislang kaum beachtet worden sind, sollen deshalb im Rahmen des Projekts untersucht werden: Erstens bildet nicht die europäische Aufklärung den diskursiven Ausgangs- und Bezugspunkt unserer heutigen Denkmuster, sondern diese selbst rekurriert direkt auf eine sich schon wesentlich früher ‒ nämlich seit dem 15. Jahrhundert ‒ herausbildende theoretische Diskussion und praktische Tradition der Bestattung und Würdigung tierischer Individuen. Zweitens manifestiert sich in diesem Zeitraum die ausführliche und kontroverse Auseinandersetzung mit der postmortalen Ehrung von Tieren und ihrer Memoria in einer Vielzahl dokumentierter Funerale und kommemorativer Monumente, die einen wichtigen, bisher jedoch nur in wenigen Einzelfällen erschlossenen Teil der frühneuzeitlichen Erinnerungskultur darstellen. Diese Praktiken und Monumente sind ‒ drittens ‒ nicht nur aufgrund der Adaption kommemorativer Formen aus dem Bereich des Gedenkens an menschliche Verstorbene von großer Aussagekraft für die vormoderne Beziehung des Menschen zum Tier. Vielmehr bildet der Bereich der Tier-Memoria aufgrund seiner Alterität und des weitreichenden Fehlens normativer Vorgaben ein produktiv-kreatives Erprobungsfeld für einen differenten Umgang mit dem Tod und für die Entwicklung innovativer künstlerischer Formen des Gedenkens ‒ wobei Modelle entstanden sind, die ihrerseits den menschlichen Tod reflektieren und in der Folgezeit die Gestaltung von Erinnerungsmonumenten für verstorbene Personen nachhaltig geprägt haben.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
Internationaler Bezug Schweiz
Kooperationspartnerinnen / Kooperationspartner Dr. Philine Helas; Dr. Nadir Weber
 
 

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