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Geschäfte für alles und jeden? Pacotillenwirtschaft im Ancien Régime

Antragstellerin Dr. Annika Raapke
Fachliche Zuordnung Frühneuzeitliche Geschichte
Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung von 2020 bis 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 452330448
 
Die Europäische Expansion des 16.-19. Jahrhunderts war ein "Globalisierungsschub", der wesentlich vom Fernhandel geprägt war. Die bisherige Forschung hierzu nimmt grundlegend an, dass es Kaufleute waren (also Menschen, die sich selbst als Kaufleute bezeichneten), die mithilfe ihrer weltweiten Netzwerke Güter und Geldmittel über den Globus transportierten, welche dann an den jeweiligen Zielorten von KonsumentInnen erworben wurden. Dieses Grundverständnis liegt zentral den gültigen Forschungsverständnissen von Wirtschaft, Handel und den sich entwickelnden Märkten in dieser Zeit zugrunde. Dieses Projekt stellt jedoch fest, dass die enge konzeptuelle Paarung von ‚Handel‘ und ‚Kaufleuten‘ bzw. ‚Konsum‘ und ‚KonsumentInnen‘, wenngleich aus moderner Perspektive nur logisch, einen geschichtswissenschaftlichen Blindfleck hervorgebracht hat. Denn die historische Überlieferung zeigt: Fernhandelsaktivitäten von ‚Nichtkaufleuten‘, also Menschen, die sich nicht als Kaufleute bezeichneten und verstanden, fanden über das ganze 18. Jahrhundert hinweg in einem immensen Ausmaß statt. Globale Handelsvorgänge, die von Nichtkaufleuten organisiert und durchgeführt wurden, waren ein relevanter Faktor in der Deckung lokaler Konsumbedürfnisse. Geschichtswissenschaftliche Eindrücke etwa von Warenflussorganisation und Warenwegen, aber auch z.B. von Marktsättigungen, Preisentwicklungen oder der ‚Beliebtheit‘ von bestimmten Gütern beziehen dieses wichtige Phänomen jedoch bis dato so gut wie nicht mit ein. Dies hat eine nicht zu unterschätzende Tragweite für die geschichtswissenschaftliche Beurteilung vergangener weltwirtschaftlicher Zusammenhänge und Entwicklungen. Denn aktuell wird all dies in erster Linie von Kaufleuten her gedacht und mittels der historischen Überlieferungen der Aktivitäten von Kaufleuten untersucht und belegt. Globale Handelsaktivitäten von ‚Nichtkaufleuten‘ hingegen werden eher in Konzepten häuslichen Wirtschaftens gefasst. Dieses Projekt setzt sich zum Ziel, systematisch die Formen, Wirkungen und die wirtschaftliche Relevanz globaler Handelsaktivitäten von Nichtkaufleuten im Ancien Régime zu untersuchen. Es verortet sich an der Schnittstelle von Wirtschafts-, Konsum- und Kolonialgeschichte und widmet sich einem Phänomen, das bisher nicht in angemessener Weise untersucht wurde: Der sogenannten Pacotille. Pacotilles, im populären Sprachgebrauch der Zeit Warenzusammenstellungen von Nichtkaufleuten für (in diesem Fall) den Verkauf in Übersee, waren extrem verbreitet und vielfältig und boten Männern und Frauen unterschiedlichster Gesellschaftsschichten die Möglichkeit, sich am globalen Handel zu beteiligen. Dieses Projekt untersucht Pacotilles, die zwischen Frankreich, Westafrika, Kanada und dem Indischen Ozean gehandelt wurden, erkundet ihre (markt)wirtschaftliche Relevanz und die Möglichkeitsräume, die sie in den Handelskonfigurationen des aufblühenden globalen (Kolonial-)Handels und -Konsums der frühen Neuzeit ausfüllen, bieten und besetzen konnten.
DFG-Verfahren WBP Stelle
 
 

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