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Common Informing: Eigenmächtigkeit und Herrschaft in England in der Frühen Neuzeit
Antragsteller
Dr. Hannes Ziegler
Fachliche Zuordnung
Frühneuzeitliche Geschichte
Förderung
Förderung seit 2021
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 453126161
Die Durchsetzung herrschaftlicher Gesetzgebung erfolgte im frühneuzeitlichen England in hohem Maße über den Rechtsgrundsatz qui tam und die damit verbundene Technik des common informing: die private Anklage und Strafverfolgung ökonomischer, sozialer, religiöser und politischer Devianz wurde finanziell belohnt. Vom Rechtsverstoß persönlich unberührte Personen wurden auf diesem Weg zu Sachwaltern des Gemeinwohls mit exekutiven Befugnissen, denn alle Rechtsentscheide waren auch für die Krone bindend. Rechtshistorikern wohlbekannt, ist diese dem common law eigene Form der Strafverfolgung hinsichtlich ihrer Herrschaftswirkungen bislang unbeachtet geblieben und in ihrer politischen und sozialen Dimension wenig erforscht. Hier verspricht sie jedoch neue Erkenntnisse: Unter Verzicht auf einen entsprechenden Amtsapparat delegierten Herrschaftsträger die Ausübung obrigkeitlichen Zwangs erfolgreich an die Untertanen, eröffneten diesen jedoch unfreilliwig Zugang zu Herrschaftsrechten. Entsprechend erlaubten Formen des informing für einzelne Untertanengruppen zahlreiche Partizipationsmöglichkeiten, führten allerdings durch ihren denunziativen Charakter zugleich zu einer Verschärfung sozialer Antagonismen und zu neuen vertikalen Abhängigkeiten. Über informing hergestellte und geregelte Herrschaftsbeziehungen waren folglich für beide Seiten ambivalent und verweisen auf strukturelle Dilemmata auch moderner Staatlichkeit.Das Projekt verfolgt die Absicht, im Rahmen dreier Fallstudien erstmals eine eigenständige und zusammenhängende Geschichte von common informing im frühneuzeitlichen England zu schreiben; insbesondere soll informing in den Kontext frühneuzeitlicher englischer Staatlichkeit gestellt werden. Wesentliches methodisches Anliegen ist es dabei, die strukturelle Ambivalenz solcher Arrangements ernst zu nehmen. Konzeptionell arbeitet das Projekt daher mit dem Begriff der Eigenmächtigkeit: Common informer waren zu ihrem Handeln befugt, handelten aber ohne Amt und Auftrag und unter Hinwegsetzung über politische und soziale Normen. Die Effekte solchen Handelns wiederum lassen sich weder eindeutig auf etablierte Narrative der Untertanen-Emanzipation noch der Staatsbildung reduzieren. Ihre strukturelle Ambivalenz wird folglich unter dem Begriff der Herrschaftswirkungen gefasst. Insgesamt zielt das Projekt auf die Emergenz von Herrschaft aus einem vom common law bestimmten Zusammenspiel obrigkeitlicher Impulse und Artikulationen von Untertanenseite. Das Projekt erlaubt es damit in konzeptioneller Hinsicht, einen Beitrag zur Debatte um vormoderne Staatsbildung zu leisten und bietet andererseits Anschluss für aktuelle Debatten um surveillance, private policing und governance.
DFG-Verfahren
Emmy Noether-Nachwuchsgruppen