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Probleme der Temporalisierung – Zeit- und Zukunftsbegriffe in Ontologie, Geschichtsphilosophie und Systemtheorie. Schellings Identitätsphilosophie im Kontext. (Fortsetzungsantrag)

Antragsteller Dr. Thomas Kisser
Fachliche Zuordnung Geschichte der Philosophie
Förderung Förderung seit 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 454194103
 
Wie lässt sich die Verzeitlichung und Prozessualisierung der philosophischen Systeme um 1800 verstehen? Fichte, Schelling und Hegel sehen ihre eigene Zeit als einen Übergang, den sie mit ihrem Denken begreifen, aber auch lenken wollen. Für die Zukunft wird daher ein Ziel formuliert, das normativ oder deskriptiv bestimmt wird und das Verständnis der Zeit teleologisch und eschatologisch formt. Obwohl bei allen drei Autoren also eine Ausrichtung der Zeit auf die Zukunft vorliegt, kann man doch nicht davon sprechen, dass die Zukunft offen sei. Der geschichtliche Prozess wird immer von seinem Ende her gedacht, mag dies auch nur in »unendlicher Annäherung« erreichbar sein. Wie müssen und können wir diese teleologische und eschatologische Dimension des Abschlusses der Geschichte heute verstehen? Luhmanns Analyse der modernen Gesellschaft und ihrer Dynamik der Temporalisierung hat den Anspruch, offene Zukunft als tatsächliche Praxis der zeitgenössischen Gesellschaft analysieren zu können. Für Luhmann ist der »Eigenwert« der modernen Gesellschaft die Kontingenz. Jenseits jeder teleologischen Bestimmung definiert diese sich als autopoietischen und evolutionären Prozess, der von sich her kein Ende kennt. Die Offenheit der Zukunft, so die Systemtheorie, bleibt in der Moderne zunächst noch eher verdeckt, als Lebenspraxis entsteht sie erst in der »next society«, die mit der Digitalisierung anbricht. Das Projekt besteht darin, drei Zeitbegriffe darzustellen. Erstens den Zeitbegriff der klassischen Ontologie, in der die Zeit von der Ewigkeit entmächtigt wird, zweitens den Zeitbegriff der Geschichtsphilosophie, in der die Zeit für das Ziel der Vernünftigkeit funktionalisiert wird, und drittens den Zeitbegriff des systemtheoretischen Verständnisses der Moderne, nach dem die Zeit zum Kontingenzraum wird. Hervorstechendes Merkmal der jeweiligen Begriffsnetze – so die Hypothese – ist das Konzept der Negation. Es soll sich zeigen, dass den drei Verständnissen von Zeit und Prozess drei Verständnisse von Negation entsprechen, nämlich erstens die Negation als Privation in der ontologischen Option, zweitens die Negation als reelle Negation und Negation der Negation als Struktur des Prozessdenkens. In der Systemtheorie schließlich taucht die Negation als Reflexionswert, als zweiter Wert gegenüber dem Designationswert in den binären Codierungen auf, mit denen die gesellschaftlichen Subsysteme arbeiten, wie etwa wahr/unwahr im Wissenschaftssystem, recht/unrecht im Rechtssystem, passend/nicht-passend im Kunstsystem usw.. Wir haben damit auch drei Modelle von Asymmetrisierung vor uns. In jedem Begriffsnetz geht es um den Primat der Position gegenüber der Negation. Diese Asymmetrisierung wird jedoch mit völlig unterschiedlichen theoretischen Mitteln formuliert.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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