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Mission vor der Kolonialisierung - Eine Neubewertung des religiösen Kontakts in Grönland und Sápmi zwischen 1000 und 1700
Antragstellerin
Professorin Dr. Cordelia Heß
Fachliche Zuordnung
Mittelalterliche Geschichte
Ur- und Frühgeschichte (weltweit)
Ur- und Frühgeschichte (weltweit)
Förderung
Förderung seit 2021
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 454766761
Kontakt zwischen den indigenen Bevölkerungen des Nordens und den christlichen Siedlern und Händlern bestand bereits seit Jahrhunderten, bevor Missionare zu Agenten des europäischen Expansionismus wurden - trotzdem werden diese Begegnungen zwangsläufig als Vorgeschichte der kolonialen Herrschaft interpretiert. Hier unterscheidet sich das Narrativ über die Christianisierung der indigenen Bevölkerungen grundsätzlich etwa von jenem über die Christianisierung der skandinavischen Könige, die etwa gleichzeitig stattfand und als eine bewusste politische Strategie bei gleichzeitiger Wahrung der eigenen kulturellen Identität gelesen wird. Dies scheint eine Projektion aus der ex post-Perspektive des Kolonialismus zu sein, die eine vorherbestimmte europäische Dominanz und Überlegenheit bereits während der frühesten Kontakte als gegeben annimmt. Dieses Projekt wird diese Projektion rigoros in Frage stellen, indem die verfügbaren schriftlichen und materiellen Quellen neu gelesen werden. Dabei werden Konversion und kultureller Kontakt als Prozesse zumindest mit dem Potential gegenseitigen Interesses und Vorteils dargestellt, ohne die fatalen Folgen der späteren kolonialen Unterdrückung zu negieren. Das Projekt verfolgt drei Ziele: Erstens, die Geschichte der mittelalterlichen religiösen und kulturellen Kontakte des Nordens im Vergleich zu anderen Konversionsprozessen neu zu schreiben. Dabei sollte weder die "tränenreiche" Erzählung noch in eine Apologetik für den nördlichen Kolonialismus als „benevolenter“ Form der Herrschaft und Ausbeutung reproduziert werden. Zweitens, um die anachronistische Projektion späterer Entwicklungen auf religiöse Kontakte in früheren Jahrhunderten zu reduzieren, werden die jahrhundertelangen, weitgehend friedlichen Kontakte - oder deren Fehlen - in die Gesamtgeschichte des nordischen Kolonialismus integriert. Der Schlüssel zum Verständnis der mittelalterlichen Wurzeln des modernen Kolonialismus besteht darin, religiösen Kontakt und Missionierung von der Kolonisation zu trennen und folglich eine jeweils eigene Periodisierung dafür zu entwickeln. Drittens liegt das Ziel dieses Projekts auf methodologischer Ebene in der chronologischen und geographischen Integration der Geschichte der mittelalterlichen Christianisierung und Kolonisation des Nordens in die Theorie der Postkolonialen Studien mittels der Anwendung der historischen Semantik als integrative Methode für schriftliche und materielle Quellen. Gleichzeitig wird die Anwendung von postkolonialer Terminologie und Konzepten sowie interdisziplinärer Ansätze, wie sie aus der Wikingerstudien und den Jüdischen Studien bekannt sind, kritisch für die mittelalterlichen Kontakte zwischen Christen und indigenen Bevölkerungen in Grönland und Sápmi geprüft.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
Internationaler Bezug
Dänemark
Kooperationspartner
Dr. Christian Koch Madsen