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Lehnswesen revisited: Das Beispiel Daenemarks als regionaler Sonder- oder europaeischer Normalfall im Mittelalter?
Antragsteller
Professor Dr. Oliver Auge
Fachliche Zuordnung
Mittelalterliche Geschichte
Förderung
Förderung seit 2021
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 459056567
1994 stellte Susan Reynolds mit ihrer Monographie „Fiefs and Vassals“ das im 19. und 20. Jahrhundert entworfene, idealtypische Modell des Lehnswesens grundsaetzlich in Frage und erschuetterte die internationale und mit ihr die deutsche Mediaevistik. Mittlerweile haben regionale Beispieluntersuchungen Reynolds’ Thesen zum Teil relativiert und gezeigt, dass durchaus von der Existenz eines mittelalterlichen Lehnswesens gesprochen werden kann, aber mit regionalen Varianten und nicht in einer zu starren, gesetzmaessigen Form. Exemplarische Studien mit regionalem Fokus, die eine Neudefinition des Lehnswesens anstreben, stellen somit ein Desiderat dar. Am Beispiel des bisher in dieser Hinsicht nicht naeher betrachteten Daenemarks will das beantragte, mit einer 0,65 TV-L 13-Stelle fuer eine/n wissenschaftliche/n Mitarbeiter/in der Kategorie „Doktorand/Doktorandin und Vergleichbare“ auf drei Jahre angelegte Projekt hierauf reagieren. Daenemark eignet sich in mehrfacher Hinsicht als Gegenstand einer regional angelegten Studie mit europaeischer Aussagekraft: In der Vergangenheit wurde die Existenz eines Lehnswesens in Daenemark ueberhaupt negiert, in juengerer Zeit dies aber revidiert. Moeglicherweise ergab sich die fruehere Einschaetzung daraus, dass die hergebrachte Definition des Lehnswesens insgesamt nicht zutreffend war und keine Abweichungen zuliess. Die teils engen Kontakte der daenischen Koenige zum Reich, der Streit Erichs VII. mit den Grafen von Holstein um die Frage, ob das Herzogtum Schleswig ein Lehen sei, die Namensaehnlichkeit der daenisch- und deutschsprachigen Bezeichnung des Lehens und nicht zuletzt das Auftreten mehrerer auf das Lehnswesen hindeutender Termini in mittelalterlichen Quellen Daenemarks lassen vermuten, dass auch hier durchaus von einem Lehnswesen gesprochen werden sollte. Das Projekt will sich dieser Frage in einem Dreischritt naehern und zunaechst, anknuepfend an ein vorbereitend erstelltes Quellenkorpus, eine moeglichst aussagekraeftige Sammlung daenischer Quellenfunde zu einschlaegigen lehnrechtlichen Begriffen und Kontexten anlegen. Diese soll als Arbeitsgrundlage fuer die Ueberlieferungauswertung im zweiten Schritt dienen, die eruieren wird, ob eine kausale Verknuepfung von Vasallitaet und Lehen auch im mittelalterlichen Daenemark vorlag. Ausgehend vom daenischen Exempel soll dann als dritter Schritt die Frage nach der generellen Existenz des Lehnswesens und einer moeglichen Neudefinition, die auch europaweiten Varianten gerecht wird, beantwortet werden. Ziel ist es somit, eine fundierte Neubewertung der bisherigen Forschungspositionen zur (Nicht-)Existenz des Lehnswesens in Daenemark vorzunehmen, Erkenntnisse aus dem aktuellen geschichtswissenschaftlichen Diskurs zum Reich und zu anderen Teilen Europas einfliessen zu lassen und schliesslich die Projektergebnisse mit einem Definitionsversuch wieder auf die allgemeinmediaevistische Forschung zum Lehnswesen zurueckzuspiegeln.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen