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Horizontaler Transfer sprachlicher Merkmale als integraler Teil der Evolutionsgeschichte von Sprachfamilien - Phylogenetische Rekonstruktion von baumartigen Sprach-Netzwerken

Antragstellerin Dr. Lina Herbst
Fachliche Zuordnung Angewandte Sprachwissenschaften, Computerlinguistik
Förderung Förderung seit 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 461279234
 
Weltweit werden heutzutage über 7000 verschiedene Sprachen aus über 200 Sprachfamilien gesprochen. Die evolutionäre Abstammung innerhalb einer Sprachfamilie kann in einer Phylogenie, einem Sprachbaum, dargestellt und untersucht werden. Mit Hilfe sprachlicher Merkmale können interne Strukturen und das Alter einer Sprachfamilie geschätzt werden. Allerdings werden sprachliche Merkmale nicht immer „vererbt“, sondern können etwa durch Sprachkontakt auch horizontal erworben werden.Nicht-baumartige Evolution ist auch in der Evolutionsbiologie bekannt und horizontale Ereignisse werden durch phylogenetische Netzwerke dargestellt. Ein phylogenetisches Netzwerk ist allgemein gesagt ein Baum mit horizontalen Kanten, der eine bessere Veranschaulichung von Sprachverwandtschaften ermöglicht. Sprachbestandteile können in linguistischen Netzwerken horizontal weiter gegeben werden, sodass eine bessere und genauere Darstellung des evolutionären Prozesses möglich ist. Methoden zur Rekonstruktion von Netzwerken in der historischen Linguistik sind noch in den Kinderschuhen. Trotz wertvoller Fortschritte bezüglich vertikaler Verwandtschafts-Modelle und Kontakt induzierter Veränderungen, hat sich noch kein Standard durchgesetzt. Einige Ansätze visualisieren die Datenkonflikte, zeigen die transferierten Sprachbestandteile aber nicht an. Fortgeschrittenere Ansätze rekonstruieren bisher keine datierten, gewurzelten Netzwerke und liefern daher keine Schätzung dafür wann der letzte gemeinsame Vorfahre existierte, oder wann sich Untergruppen einer Sprachfamilie bildeten.Ziel dieses Projektes ist die Integration horizontaler Transfers in die Modelle der Phylogenetik, um gewurzelte, datierte, phylogenetische Netzwerke zu schätzen. Grundlage wird ein Geburts- und Sterbeprozess sein, in den horizontalen Transfer einbezogen werden. Der resultierende Geburts-Sterbe-Transfer-Prozess wird in eine Bayesches Softwarepaket integriert, sodass Informationen über vergangene Ereignisse, z.B. das Alter einer Sprachgruppe, mit in die Analyse einbezogen werden können.Der neue Ansatz wird durch Simulationen und durch Anwendung auf Sprachfamilien, für die Transfer-Ereignisse von Linguisten bestätigt wurden, validiert. Nach erfolgreicher Validierung wird der Prozess verwendet, um die polynesische Sprachfamilie zu untersuchen, von der angenommen wird, dass sie stark von Transfer betroffen ist. Dies ermöglicht die Rekonstruktion von Zeit und Ort (innerhalb der Phylogenie) sprachlicher Transfers der polynesischen Sprachen, zusammen mit der Schätzung der transferierten Sprachbestandteilen. Gleichzeitig lässt sich dadurch sprachlicher Transfer bezüglich verschiedener Datentypen wie der Grammatik oder dem Lexikon quantifizieren.Als Teil des frei verfügbaren, plattformübergreifenden BEAST2 Softwarepakets, welches verschiedene Sprachevolutionsmodelle beinhaltet, und ausgestattet mit einer interaktiven Anleitung, kann die neue Methode gut von anderen Forschern verwendet werden.
DFG-Verfahren WBP Stelle
 
 

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