Gegenpäpste. Prüfsteine universaler Autorität im Mittelalter
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Seit der „papstgeschichtlichen Wende“ (Rudolf Schieffer) in der Mitte des 11. Jahrhunderts steht der römische Bischof weitgehend unbestritten an der Spitze einer universalen, lateinischen Christenheit. Die nun zunehmend auf die päpstliche Kurie zentrierte Struktur der Kirche wurde im Laufe des Mittelalters mehrfach durch die Erhebung konkurrierender Kandidaten um das römische Bischofsamt substanziell gefährdet. Diese dogmatisch wie rechtlich nicht vorgesehene Verdopplung der höchsten kirchlichen Autorität durch solche „Gegenpäpste“ war Gegenstand des Projekts. Im Zentrum standen die Krisensituationen, die aus Doppelwahlen der Kardinäle oder aus gewaltsamer Aneignung des römischen Bischofsstuhls resultierten, und deren Bewältigung. Wurden „Gegenpäpste“ bislang fast ausschließlich unter theologischen Gesichtspunkten (Spätantike), im Kontext stadtrömischer Konflikte (frühes Mittelalter) oder als Produkte kirchenpolitischer Fraktionsbildungen, zumeist aber als illegitime und persönlich gescheiterte Gegenentwürfe traditionellen Papstseins betrachtet, so wurde nun erstmals eine systematische Zusammenschau des Phänomens unternommen. Der Blick richtete sich in umfassender Weise auf die Selbstbehauptungsstrategien der Konkurrenten und die kommunikativen Mechanismen, die zur Festigung eigener Anhängerschaften und letztlich zur Durchsetzung des eigenen Anspruchs eingesetzt wurden. Hierzu zählen die Schaffung einer loyalen Administration und deren Einsatz ebenso wie die propagandistische Auseinandersetzung mit den Kontrahenten, die – auch über den Tod hinaus – mit verbalen und symbolischen Mitteln erbittert geführt wurde. Die Schismen des hohen und späten Mittelalters wurden im Verlauf der Untersuchungen als Krisen begriffen, die Weichenstellungen für die Ausformung universaler päpstlicher Autorität provozierten. In ihnen zeigen sich Kraft und Bedrohungen eines universal verstandenen römischen Bischofsamtes. Das Projekt verringert eine kirchengeschichtliche Forschungslücke und gewährt Einblicke in die diskontinuierlichen Verläufe päpstlicher Autoritätsfestigung zwischen dem 11. und 16. Jahrhundert, die von grundsätzlicher historisch-politischer Relevanz sind. Der 2012 aus dem Projekt hervorgegangene Sammelband Gegenpäpste. Ein unerwünschtes mittelalterliches Phänomen fand ausführliche Beachtung im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung (09.10.2012). Der Spiegel. Geschichte widmete in seinem Themenheft Die Päpste. (Nr. 4/2012) der Konkurrenz um den Stuhl Petri erstmals überhaupt ein eigenes Kapitel (S. 72-75) – explizit angeregt durch den Sammelband aus dem DFG-Projekt.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Der Ausbruch des Großen Abendländischen Schismas als Chance offensiver landesherrlicher Kirchenpolitik. Motive der Parteinahme Herzog Leopolds III. von Österreich für Clemens VII., in: Francia 37 (2010) S. 353-374
Brigitte Hotz
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Gegenpäpste – Prüfsteine universaler Autorität im Mittelalter, in: Harald Müller, Brigitte Hotz (Hg.), Gegenpäpste. Ein unerwünschtes mittelalterliches Phänomen (Papsttum im mittelalterlichen Europa 1), Köln 2012. S. 13-53
Harald Müller
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Gegenpäpste. Ein unerwünschtes mittelalterliches Phänomen (Papsttum im mittelalterlichen Europa 1), Köln 2012
Harald Müller, Brigitte Hotz (Hg.)