Detailseite
Täterperspektiven. Emotionalisierung als Erzählstrategie in zeitgenössischen französischen und lateinamerikanischen Romanen über politisch und ethnisch motivierte Gewalt
Antragstellerin
Dr. Lena Seauve
Fachliche Zuordnung
Allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft; Kulturwissenschaft
Förderung
Förderung seit 2021
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 462382284
Ziel des Projektes ist es, die Emotionalisierung von Leser*innen durch das Erzählen aus der Täterperspektive als narrative Strategie zu definieren und anhand eines Korpus zeitgenössischer französischer und lateinamerikanischer (v.a. Cono Sur) Romane ab der Jahrtausendwende, die historische Fälle politisch und ethnisch motivierter Gewalt aus dem 20. und 21. Jahrhundert fiktionalisieren, exemplarisch zu analysieren. Als literaturwissenschaftliche Studie zu Narrativen aus Täterperspektive, ihren emotionalisierenden Wirkungsstrategien und deren Funktion leistet das romanistisch angelegte Projekt einen Beitrag in einem sich aktuell neu formierenden Forschungsfeld: Einerseits beschreitet es bezüglich des Korpus und dessen historischer und geographischer Eingrenzung neue Wege, indem es französische und lateinamerikanische Täternarrative vergleichend untersucht. Fiktionale Texte über gewaltsame Konflikte weltweit (Europa, Nordafrika, Asien und Lateinamerika) werden so in einem sich gegenseitig erhellenden Zusammenhang betrachtet, der globale Perspektiven auf Täterliteratur eröffnet. Andererseits bietet das Projekt Anschlussmöglichkeiten, die weit über das Untersuchungskorpus hinausweisen: Auch andere Narrative aus Täterperspektive können mithilfe der entwickelten Methodik auf emotionalisierende Wirkungsstrategien hin untersucht werden. Denkbar sind ebenso Untersuchungen von Beispielen aus anderen Medien (Film, Serie, Game), wie Untersuchungen von bezüglich ihrer geographischen Verortung abweichenden Narrativen (Vietnam, Kambodscha, Ruanda, Kongo etc.).Eine historisch hergeleitete Definition des Täterbegriffs unter besonderer Berücksichtigung fiktionaler Konstruktionen von Täterfiguren bildet die Grundlage für den Entwurf eines historisch-narratologischen Analysemodells für Fiktionen aus Täterperspektive, das narrative Strategien der Emotionalisierung definiert und differenziert. Das Projekt schreibt sich jedoch nicht nur in das Paradigma der Emotionsforschung ein, sondern trägt ebenso zur Klärung von Fragen der Rezeptions- und Wirkungsästhetik, der Trauma-Studies und bestimmter Aspekte der Erinnerungsforschung bei. Die Eingrenzung des Korpus beruft sich auf den Begriff der counterinsurgency, der es erlaubt, Täterschaft im Kontext der Shoah, den Kriegen in Indochina, Algerien und Vietnam bis hin zu den Militärdiktaturen im Cono Sur zusammen zu denken. Narrative Strategien der Emotionalisierung werden in engem Zusammenhang mit Prozessen der strategischen Stabilisierung und Destabilisierung von ethischen Einstellungen betrachtet, eine zentrale Rolle spielen hierbei Strategien der Ambivalenzerzeugung. Die Einzelanalysen, die den zweiten Teil des Projekts ausmachen, dienen erstens der Überprüfung der entwickelten Definitionen und Analysewerkzeuge bezüglich ihrer Anwendbarkeit. Sie bieten zweitens ausführliche Interpretationen eines bisher wenig und nicht im Kontext der Frage nach Täterperspektiven erforschten Textkorpus.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen