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Ein neuartiger Trinkmechanismus: Funktionsweise und Morphologie der Zungenkanäle bei neotropischen Blumenfledermäusen (Phyllostomidae: Lonchophyllinae)

Fachliche Zuordnung Systematik und Morphologie der Tiere
Biochemie und Physiologie der Tiere
Biologie des Verhaltens und der Sinne
Ökologie und Biodiversität der Tiere und Ökosysteme, Organismische Interaktionen
Förderung Förderung seit 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 464509708
 
Morphologische Spezialisierungen und Verhaltensanpassungen an die Ernährung durch Nektar finden sich unter den Säugetieren bei nur wenigen Arten. Innerhalb der Neotropischen Blattnasenfledermäuse (Phyllostomidae) gibt es zwei Unterfamilien, die unabhängig Anpassungen an die Nektarivorie evolviert haben, die Lonchophyllinae und die Glossophaginae. Tiere beider Unterfamilien zeigen verlängerte Zungen, unterscheiden sich allerdings drastisch in der Zungenmorphologie und im Trinkverhalten. Glossphaginen haben eine Zungenspitze mit haarförmigen Papillen, die die Nektaraufnahme unterstützen. Beim Blütenbesuch lecken diese Tiere den Nektar und lassen dazu ihre Zunge immer wieder in den Blütenkelch eintauchen. Im Gegensatz dazu fehlen der Lonchophyllinen-Zunge haarförmige Papillen, weisen aber zwei Längsrillen auf. Die Tiere tauchen während des Blütenbesuchs die Zungenspitze in den Nektar und behalten dann diese Position - ohne zwischenzeitigen Rückzug der Zunge - bis zum Ende des Trinkvorgangs bei, während Nektar über die Längsrillen ins Maul aufsteigt. Bislang ist die Funktion dieser Trinkweise, die keinem bisher beschriebenen Nektaraufnahmemechanismus entspricht, noch unbekannt. Unsere Hypothese ist, dass der Nektartransport durch die Zungenrillen über die Kombination von Kapillarkräften und aktiver Zungenperistaltik erfolgt. Wir wollen nun physiologische Grundlagen und mögliche ökologische Folgen dieser Trinkweise untersuchen. Auf physiologischer Ebene wollen wir morphologische Daten über die Zungenrillen von Lonchophyllinen erheben, indem wir µCT - (Röntgen-Computertomographie) und SEM - (Rasterelektronenmikroskopie) Aufnahmen erstellen. Mit diesen metrischen Daten wird es möglich sein, ein hypothetisches fluiddynamisches Modell auf Basis der Hagen-Poiseuille-Gleichung zu entwickeln, in dem der Flüssigkeitstransport nur durch Kapillarkräfte bedingt wäre. Durch den Vergleich dieses Modells mit experimentell erhobenen Daten zur Trinkeffizienz von Lonchophyllinen an Nektar (auch mit modifizierter Viskosität und Oberflächenspannung) werden wir den Beitrag aktiver Mechanismen zur Nektaraufnahme bestimmen. Highspeed-Videos werden für die Bewegungsanalyse erstellt. Zur Abschätzung der ökologischen Signifikanz werden wir potentielle Mechanismen der Ressourcenaufteilung untersuchen. Hierzu planen wir Experimente zur Nektaraufnahmeeffizienz mit Glossophaginen aus unserer Kolonie an der Universität Ulm und mit Lonchophyllinen in Panama und Peru. Wir werden die jeweilige Nektaraufnahmeeffizienz an 3D-gedruckten künstlichen Blüten mit unterschiedlicher Nektarpräsentation untersuchen. Das Projekt verspricht ein bislang unbekanntes natürliches Flüssigkeitstransportsystem aufzuklären, zu erforschen, wie Anpassungen an die Nahrungsaufnahme Ressourcenaufteilung und somit die Gemeinschaftsökologie nektarivorer Fledermausarten beeinflussen, und könnte auch für bionische Anwendungen, z.B. für biomimetische Mikropumpen in medizinischen Anwendungen relevant sein.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
Internationaler Bezug Panama, Peru
Mitverantwortlich Professor Dr. Steven Jansen
Kooperationspartnerinnen Rachel Page, Ph.D.; Erika Paliza
 
 

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