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Der laute Krieg und die Laute des Krieges. Belliphonie im Mittelalter

Fachliche Zuordnung Mittelalterliche Geschichte
Förderung Förderung seit 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 464863865
 
Kultur und Erfahrungswelt des Mittelalters waren ganz entscheidend durch Krieg und Gewalt geprägt. Kriege waren dabei immer auch akustische Ereignisse. Wer verstehen will, wie sie geplant, geführt, wahrgenommen und dargestellt wurden, muss ihnen ‚zuhören‘: Waffenlärm, Schreie, Ansprachen, Musik und Signallaute schufen und strukturierten als Kommunikations- und Distinktionsinstrumente soziale Räume. Die historische Forschung befasst sich in jüngster Zeit zunehmend mit den Lautsphären des Mittelalters. Der Krieg ist dabei aber bislang beinahe gänzlich unbeachtet geblieben, obwohl in den Quellen reiches Material vorliegt. Das beantragte Projekt soll diese Forschungslücke schließen und zielt auf ein umfassendes Verständnis der mittelalterlichen Belliphonie: Welche Funktionen erfüllten Laute in der Kriegsführung und in Kriegserzählung? Wie wurden sie wahrgenommen und gedeutet? Das Projekt betritt auch in methodischer Hinsicht weitgehend Neuland und verbindet Ansätze und Anregungen aus den sound studies (u.a. zur Terminologie), der Musikgeschichte (Militärmusik) und den (mediävistischen) Literaturwissenschaften (Narratologie, lautliche Performativität).Die Untersuchung wird in zwei synchron arbeitenden, komplementär angelegten Teilprojekten erfolgen: Das erste fragt danach, wie Belliphonie erzählt wurde. Es untersucht die narrativen Funktionen von Lauten in historiographischen und literarischen Kriegserzählungen des Hochmittelalters. Dabei soll zunächst der spezifische intratetextuelle Ort der Belliphonie im Kontrast zu anderen Lautsphären im jeweiligen Werk bestimmt werden. Im nächsten Schritt kann dann ein text- und gattungsübergreifender Vergleich erfolgen. Ziel ist eine Morphologie der erzählten Akustik des Krieges, die bestimmten Laut-Erzählungen je eigene Funktionen zuweisen kann.Das zweite Teilprojekt nimmt die Bedeutung von Lauten in der Kriegsführung des Spätmittelalters in den Blick: Wozu wurden bestimmte Geräusche und Klänge eingesetzt, wie wurden sie rezipiert und welche Wirkungen hatten sie? Es sollen zunächst v.a. normative Aussagen zur Produktion und zum Gebrauch von Lauten in zeitgenössischen kriegstheoretischen Schriften analysiert werden. Darauf aufbauend werden auf breiter Quellenbasis die Lautsphären einiger zentraler militärischer Ereignisse detailliert erfasst und analysiert.Ein wichtiges Ziel des Forschungsvorhabens ist die Erstellung einer öffentlich zugänglichen digitalen Datenbank, in der alle erhobenen Quellenstellen zur mittelalterlichen Belliphonie gesammelt und kommentiert werden. Ergänzend zu den Textquellen sollen auch bildliche Darstellungen von Belliphonie exemplarisch untersucht werden. Das Projekt wird eine Phänomenologie und Semantik der mittelalterlichen Belliphonie erarbeiten und damit einen grundlegenden Beitrag zum Verständnis des mittelalterlichen Krieges und zur Sinnesgeschichte des Mittelalters liefern.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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