Geschichte der Nordostpassage
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die Nordostpassage, jene legendäre Seeroute, die europäische Kaufleuten zu suchen begannen, nachdem Christoph Kolumbus den Weg nach Indien verpasst hatte, ist durch den Klimawandel im 21. Jahrhundert Wirklichkeit geworden. Während die Geschichte dieses Seewegs bisher vor allem anhand von Seefahrerbiografien oder dramatisch verlaufenden wissenschaftlichen Expeditionen untersucht wurde, sollte dieses Projekt die Grundlage für die erste umfassende Geschichte der Nordostpassage legen. Die halbjährige Förderzeit wurde zur Materialsuche und -auswertung, für die Erstfassung einiger Kapitel sowie für die Verfassung eines wissenschaftlichen Aufsatzes genutzt. Im Jahr 2024 soll dann hoffentlich das wichtigste, langfristige Ergebnis, eine Monografie erscheinen. Sie untersucht die Nordostpassage als Teil der russischen und sowjetischen Geschichte, einschließlich der wissenschaftlichen und militärischen Expeditionen aus fünf Jahrhunderten und der Unterwerfung der Arktis und ihrer indigenen Völker. Das Projekt analysiert den Beitrag der historischen Akteure vor dem Hintergrund geopolitischer, wirtschaftlicher, ökologischer und ideologischer Zusammenhänge. Die erste Überblicksdarstellung stellt die westlichen Seefahrerlegenden um die Passage nach Asien in Frage. Denn anders als es die (westliche) Diskussion über die angeblich späte Öffnung der Nordostpassage vermuten lässt, wurde sie, erstens, schon seit den 1860er Jahren als russische Schifffahrtsroute genutzt und dient, zweitens, im 21. Jahrhundert vor allem dem Export sibirischer Rohstoffe. Mit Russlands Krieg gegen die Ukraine ist der Transitverkehr nahezu zum Erliegen gekommen, während die Ausfuhr von Öl und Flüssigerdgas nach Asien wächst. In Russland ist die Nordostpassage außerdem Teil einer viel älteren arktischen Identität, die in Putins Russland wieder stärker in den Vordergrund gerückt ist. Das Buch fügt der aktuellen Diskussion über die Arktis als potenzielles wirtschaftliches und geopolitisches Konfliktfeld eine historische Perspektive hinzu und erklärt den umstrittenen Anspruch der Russischen Föderation auf die Regulierung eines Großteils des arktischen Schiffsverkehrs auf der Grundlage von Archiv- und Bibliotheksrecherchen. Diese Geschichte der Nordostpassage richtet sich an ein wissenschaftliches Publikum, aber auch an ein breiteres Publikum, das sich für die globale Bedeutung des Seewegs und seine Bedeutung in der arktischen Geschichte interessiert.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Die polare Seidenstraße. Zeitenwende im Eismeer? in: Aus Politik und Zeitgeschichte 43-45/2022, 33-39
A. Renner
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Medicina v cholodnom klimate: Cinga na Severnom Morskom Puti (Medizin im kalten Klima: Skorbut auf dem Nördlichen Seeweg), in: A. Renner, E. Vishlenkova (Hg.), Istorija mediciny i medicinskoj geografii v Rossiiskoj imperii (Geschichte der Medizin und der medizinischen Geografie im Russischen Reich), Moskau 2022, 323-344
Andreas Renner
