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'Voix' und 'parole': Interdiskursive Stimm-Régimes in der französischen und italienischen Betrachtungsliteratur des 16. und 17. Jahrhunderts

Fachliche Zuordnung Europäische und Amerikanische Literatur- und Kulturwissenschaften
Allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft; Kulturwissenschaft
Förderung Förderung seit 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 465714057
 
Frömmigkeitsgeschichtlicher Ausgangspunkt des Projektes ist die Umbewertung des geistlichen Gebets, die durch das Konzil von Trient (1545-1563) vorgenommen wurde: Ihm sei der Vorrang vor dem Wortgebet zu geben. Diese Aufwertung brachte neue Herausforderungen für die Gläubigen mit sich: Einerseits und vordergründig bedeutete sie eine relativierende Befreiung vom gesprochenen Wort und von der vorgegebenen 'parole' des Wortgebets (z.B. Vaterunser, Glaubensbekenntnis, Ave Maria). Andererseits ergab sich daraus aber auch eine neue Pflicht für den einzelnen Gläubigen. Es galt nun, im Gebet eigene Worte zu finden und diese Worte in einem anderen, ‚mentalen‘ Sprechakt zu äußern. Konzeption, Performativität und Materialität dieses 'inneren' Gebets wurden durch das Trienter Konzil aber nicht weiter profiliert. Das beantragte Projekt setzt sich zum Ziel, die literatur- und kulturgeschichtlichen Potenziale dieser Unklarheit zu untersuchen: Lassen Betrachtungstexte in Italien und Frankreich eine explizite oder implizite Thematisierung eines neuen Stimm-Régimes erkennen? Inwiefern gibt in der katholischen Meditationsliteratur Hinweise darauf, dass die Forderung nach dem geistlichen Gebet mit leitenden Stimm-Idealen der Zeit (v.a. aus Hofkultur, Musikkultur, Rhetorik, Lektürepraxis) kollidierte oder sich mit ihnen arrangierte?Unter Meditationsliteratur sind in der Frühen Neuzeit sowohl erklärende Anleitungen zur Betrachtung als auch (literarische) Texte zu fassen, in denen ein Ich/Wir eine Betrachtung vollzieht. Deshalb fokussiert das Projekt sowohl reflexive Auseinandersetzungen mit der ‚inneren Stimme‘ als auch performative Realisierungen, die sich durch literarische Verfahren bzw. historisch-textpragmatisch durch Kontext und (laute) Lektüre der Betrachtungsliteratur ergeben. Wessen Stimme soll sprechen bzw. spricht in Gebet und Betrachtung, und durch welche ästhetischen Qualitäten ist sie gekennzeichnet? Lässt sich eine ‚innere Stimme‘ literarisch gestalten, und (wie) lässt sie sich normieren? Spricht sie selbst gefundene Worte oder angeeignete, und wie lässt sich das genau unterscheiden? Wie wird in der Betrachtungsliteratur die ‚parole‘ als textuell vollzogener und zugleich mimetisch imaginierter Äußerungsakt für das innere Gebet konzipiert, (wie) realisiert oder kompensiert das ‚innere Gebet‘ die sonore Stimme (voix)? Dieses grundsätzliche Erkenntnisinteresse des Projekts soll sich an zwei Untersuchungssträngen profilieren. A) geleitet von der komparatistischen Frage nach kulturellen Zuschreibungen, die zu einer (prä)nationalen Imprägnierung der französischen bzw. italienischen Gebets- und Betrachtungsliteratur geführt haben könnte; B) geleitet von der Frage nach einem möglichen Stimm-Gendering, das die ‚weibliche‘ oder die ‚männliche‘ Stimme der Betrachtung als ästhetischen Impuls und als (maskierend, legitimierend) anzueignendes literarisches Gestaltungselement hervortreten lässt.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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