Strömungssimulationen zur Aufklärung der Dynamik elektrochemischer Doppelschichten submikroner Partikeln
Strömungsmechanik
Zusammenfassung der Projektergebnisse
In dieser Arbeit wurde der Einfluss der elektrochemischen Doppelschicht auf kolloidale Partikel untersucht. Dazu wurde im ersten Schritt ein allgemeines Modell hergeleitet, welches sowohl die Fluidströmung als auch das elektrische Feld und die Ionenkonzentrationen beschreibt. Dieses Vorgehen führte auf das Stokes–Poisson–Nernst–Planck System, ein System aus gekoppelten partiellen Differentialgleichungen, dessen Lösung mithilfe der Finiten Element Methode numerisch berechnet wurde. Bei Einzelpartikeln kann dabei ein aufwendiges Remeshing durch die Verwendung eines körperfesten Koordinatensystems vermieden werden. Im Falle von Mehrpartikelsystemen wurde eine Overlaygitter Methode verwendet, welche neben einem kartesischen Hauptgitter ein körperfestes Gitter für jeden Partikel verwendet. Informationen uber Fluidströmung, elektrisches Potential sowie uber die Ionenkonzentrationen werden an Interpolationspunkten zwischen den Gittern ausgetauscht. Diese Methode ist auch als Chimera-Methode bekannt. Das beschriebene numerische Verfahren wurde zuerst verwendet um den Einfluss der elektrochemischen Doppelschicht auf die Sedimentationsgeschwindigkeit zu untersuchen. Dabei sollten die gängigen Annahmen in der Literatur, wie die Voraussetzung schwacher Felder oder die Annahme lediglich kleiner Verformungen der elektrochemischen Doppelschicht, vermieden werden. Eine Entdimensionierung der grundlegenden Gleichungen ergab, dass die Sedimentationsgeschwindigkeit bei Betrachtung des Elektrolyts KCl lediglich von der Partikelladung, der Doppelschichtdicke sowie von der Reynolds Zahl abhängt. Für hohe Zentrifugalwerte und damit hohe Reynolds Zahlen konnte gezeigt werden, dass die Annahme kleiner Doppelschichtverformungen nicht mehr gültig ist. Insbesondere sind in diesem Bereich die analytischen Näherungslösungen von Booth und Ohshima et al. fehlerhaft. Aus diesem Grund wurde eine neue Zetapotentialentwicklung hergeleitet, welche auf der Lösung der vollen nichtlinearen Gleichungen des Stokes–Poisson–Nernst– Planck Systems beruht und somit für alle Reynolds Zahlen gültig ist. Analytische Resultate in der Literatur sind meist auf kugelförmige Geometrien beschränkt. Dabei werden insbesondere die Symmetrieeigenschaften zur Vereinfachung der Gleichungen ausgenutzt. Dieses Vorgehen kann jedoch nicht auf anisotrope Partikel ubertragen werden, so dass analytische Resultate nur unter starken Einschränkungen, wie z.B. hohen Aspect Ratios, dicken Doppelschichten und kleinen Peclet Zahlen, hergeleitet werden können. Ziel des vorliegenden Projektes war es daher mithilfe der direkten numerischen Simulation diese Einschränkungen zu vermeiden. Insbesondere wurden Spheroide mit moderaten Aspect Ratios untersucht, wo die Annahme großer Aspect Ratios nicht mehr gültig ist. Es konnte gezeigt werden, dass in guter Näherung ein linearer Zusammenhang zwischen der relativen Anströmung und der Kraft bzw. dem Moment auf das Spheroid besteht. Dabei kann dieser Zusammenhang, welcher für alle Orientierungen des Spheroids gültig ist, über die Resistance Funktionen beschrieben werden. Diese sind wiederum abhängig von der Doppelschichtdicke, dem Zetapotential und dem Aspect Ratio. Der so berechnete Zusammenhang wurde verwendet um die instationäre Bewegung von geladenen Spheroiden in einer Scherströmung zu untersuchen. Es zeigte sich, dass auch geladene Spheroide, analog zu den Jeffery Orbits, eine periodische Bewegung durchführen, deren Periodendauer jedoch von der elektrochemischen Doppelschicht beeinflusst wird. Bei Mehrpartikelsystemen spielt die Überlappung der Doppelschichten besonders bei hohen Feststoffvolumenanteilen eine wichtige Rolle. Mit der Chimera-Methode wurde der Einfluss der elektrochemischen Eigenschaften auf die Durchströmung von kolloidalen Haufwerken berechnet. Dabei wurde das Haufwerk als periodisches Array modelliert. In dieser Arbeit wurde dabei das Simple Cubic Array und das Body Centered Cubic Array verwendet. Die Chimera-Methode wurde anhand der Ergebnisse von Hasimoto und Zick und Homsy für ungeladene Partikel validiert. Die numerischen Simulationen zeigten, dass der Einfluss der Doppelschicht zu einer niedrigeren Permeabilität führt. Für die Simulation von industriellen Prozessen, wie der in dieser Arbeit betrachtete Prozess der elektrophoretischen Abscheidung, ist die direkte numerische Simulation aufgrund der Skalenunterschiede zwischen kolloidalen Partikeln und der Anlagenabmessung nicht mehr anwendbar. Es wurde daher ein Euler–Euler Modell hergeleitet, welches sowohl die Fluidals auch die Feststoffphase als Kontinuum modelliert. Als wesentliche Parameter treten dabei die elektrophoretische Mobilität der Partikel sowie die elektrische Leitfähigkeit auf. Insbesondere kann der Einfluss der elektrochemischen Doppelschicht aus den mikroskopischen Simulationen gewonnen werden. Es zeigte sich eine hervorragende Übereinstimmung zwischen Simulation und Experiment.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Direct Numerical Simulation of the Settling of a Charged Colloidal Particle. AIP Conference Proceedings, 1207:781–788, 6th International Symposium on Multiphase Flow, Heat Mass Transfer and Energy Conversion, Xi’an, China, 2009
F. Keller, M. Feist, W. Dörfler and H. Nirschl
- Stokesian Dynamics and the Settling Beahviour of Particle-Fibre-Mixtures. Proceedings 8th World Congress of Chemical Engineering, Montreal, Canada, 2009
M. Feist, F. Keller, W. Dörfler and H. Nirschl
- A Chimera Grid Technique for the Direct Numerical Simulation of Colloidal Particles. Proceedings World Congress on Particle Technology 6, Nuremberg, Germany, 2010
F. Keller, M. Feist, W. Dörfler and H. Nirschl
- Investigation of the nonlinear effects during the sedimentation process of a charged colloidal particle by direct numerical simulation. Journal of Colloid and Interface Science, 344(1):228 – 236, 2010
F. Keller, M. Feist, H. Nirschl and W. Dörfler
- Investigations on the influence of the diffuse double layer on the flow through periodic arrays of spheres. Proceedings 12th Workshop on Two-Phase Flow Predictions. Halle (Saale), Germany, 2010
F. Keller, M. Feist, H. Nirschl and W. Dörfler
- Simulation der Schichtdickenverteilung bei elektrotauchemaillierten Bauteilen. Email Mitteilungen des deutschen Email Verbandes e.V., 5/2010:76–80, 2010
F. Keller, H. Nirschl und E. Woldt
- Stokesian dynamics and the settling behaviour of particle-fibre-mixtures. The Canadian Journal of Chemical Engineering, 2010
M. Feist, F. Keller, H. Nirschl and W. Dörfler
(Siehe online unter https://doi.org/10.1002/cjce.20415) - Numerical Simulation of Agglomeration and Filtration of Colloidal Suspensions. Proceedings Filtech 2011, Wiesbaden, Germany, 2011
F. Keller, C. Eichholz, B. Schäfer and H. Nirschl