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Götterkonstellationen: Vielzahl und Gottesvorstellungen in der griechischen Antike

Antragsteller Dr. Emrys Bell-Schlatter
Fachliche Zuordnung Griechische und Lateinische Philologie
Förderung Förderung seit 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 466882476
 
Die Vorstellung göttlicher Vielzahl bildete für den archaisch-klassischen griechischen Gottesbegriff ein bestimmendes Moment und prägte – durch eine entsprechende Fülle an Festen, Ritualen und Heiligtümern – die antike Lebenswelt. Zum kultpraktischen Umgang mit den Göttern gehörte in erster Linie die Auseinandersetzung mit ihrer theoretisch unendlichen Pluralität, u.a. mittels Selektion und Schwerpunktsetzung sowie der Mitgestaltung des komplexen Bezugssystems der personal gedachten Götter zueinander. Diese Grundkompetenz des antiken griechischen Polytheismus erstmalig systematisch und unter Berücksichtigung medialer und situativer Unterschiede zu ergründen ist das Ziel des geplanten Forschungsprojekts. Ausgehend von der Erkenntnis, dass die Göttergestalten stets in Bezug zueinander gedacht wurden, und dem Forschungsdesiderat, sie entsprechend zu analysieren, schlägt das Projekt einen neuen Weg ein. Während bisherige Untersuchungen von Gottesvorstellungen und Kulten zumeist die Profile individueller Götter oder die Kulte einzelner Regionen rekonstruieren, fragt dieses Projekt nach grundsätzlichen emischen Strategien, Götter zu verbinden und die Götterwelt zu strukturieren. Im Zentrum steht die kulturspezifische Logik dieser Verbindungen in historischer und literarisch überformter Kultpraxis des 8.–4. Jh. v. Chr. Als Grundlage erfasst und analysiert das Projekt in einem ersten Schritt verschiedenartige Göttergruppen der historischen Kultpraxis anhand expliziter textlicher (inkl. und v.a. epigraphischer) Belege. Dabei erschließt das Projekt ein bisher unberücksichtigtes, jedoch höchstproduktives Phänomen, nämlich die gemeinsame Verehrung mehrerer Götter an Kultstätten und in Kulthandlungen, und setzt es in ein Verhältnis zur Hervorhebung einzelner Götter im Kult. Explizite und implizite Götterverbindungen, deren Spielarten von Gruppenbildung (z.B. die Zwölfgötter) bis hin zur Gleichsetzung und Überschneidung reichen, werden in einem zweiten Schritt hinsichtlich ihrer Strukturen und Funktionen, Flexibilität und medialen Spezifität in kultischen, literarischen und philosophischen Quellen thematisch untersucht. Somit können zum ersten Mal unterschiedliche Umgangsstrategien mit göttlicher Pluralität, einschließlich der Fokussierung auf einen einzelnen Gott (vgl. sog. „pagan-monotheistische“ Tendenzen bei Aischylos oder Platon), sowohl in ihrem jeweiligen Kontext als auch als Teile eines übergeordneten Gefüges verstanden werden. Abschließend konzentriert sich das Projekt auf epische und dramatische Darstellungen von Göttergruppen als Kultempfänger, um das literarische Reflexionspotential kultischer „Götterkonstellationen“ herauszuarbeiten. Das Forschungsprojekt soll somit durch die differenzierte Untersuchung eines zentralen Aspekts des griechischen Polytheismus das Verständnis antiker religiöser Praktiken und Mentalitäten, die hinter den vielen Besonderheiten einzelner Kulte und Mythen aufzudecken sind, grundlegend erweitern.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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