Detailseite
Projekt Druckansicht

PrEP-Intimitäten in Berlin: Affektive Ambivalenzen und verkörperte Subjekte der biomedizinischen HIV-Prophylaxe

Fachliche Zuordnung Ethnologie und Europäische Ethnologie
Förderung Förderung seit 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 468249798
 
Seit dem Ausbruch der HIV/AIDS-Epidemie Anfang der 1980er Jahre galten das Kondom und später die HIV-Therapie als einzige Möglichkeiten, eine sexuelle Übertragung des Virus abzuwenden. Eine kürzlich eingeführte biomedizinische Technologie verspricht nun eine neue Ära in der HIV-Prävention einzuleiten: Sowohl bei der täglichen Einnahme als auch bei einer „anlassbezogenen Anwendung“ bietet die „Prä-Expositions-Prophylaxe“ (PrEP) einen hocheffektiven Schutz vor einer HIV-Infektion. In Deutschland ist die PrEP seit Oktober 2016 als verschreibungspflichtiges Arzneimittel erhältlich und die Kosten für das Medikament sowie die dreimonatigen Begleituntersuchungen werden seit September 2019 von den gesetzlichen Krankenkassen übernommen. Die Einführung der biomedizinischen Prophylaxe ist dabei von affektiven Ambivalenzen geprägt: Den Hoffnungen auf ein Ende der HIV/AIDS-Epidemie und auf eine Destigmatisierung von HIV stehen neue Moralisierungen von kondomfreiem Sex und damit verbundene Ängste vor der Ausbreitung anderer sexuell übertragbarer Infektionen gegenüber.Das Projekt „PrEP-Intimitäten in Berlin“ beschäftigt sich aus medizin- und queeranthropologischer Perspektive mit der neuen HIV-Prophylaxe und untersucht die multiplen soziokulturellen Effekte, die mit der Einführung der PrEP unter schwulen Männern – als Hauptnutzergruppe der PrEP – in der Stadt verbunden sind. Konzeptuell versteht das Vorhaben die PrEP als affektive, diskursive und materielle Formation im Leben, den Erfahrungen und Körpern schwuler Männer sowie im spezifischen Kontext von Berlin als Stadt mit einer hohen internationalen Anziehungskraft und dem Ruf sexueller Liberalität. Ethnographisch soll untersucht werden, wie die biomedizinische Prophylaxe selbst – ebenso wie gesundheitspolitische Fachöffentlichkeiten, subkulturelle Diskurse und therapeutische Situationen, innerhalb derer die PrEP situiert ist – verkörperte Subjekte formen und intime Begegnungen (mit)gestalten. Damit stellt das Projekt die Frage, welche Beziehungen, Affekte und Diskurse die PrEP im urbanen Raum Berlins hervorbringt und welche Intimitäten, Körperlichkeiten und Subjektivitäten dabei entstehen.Im Rahmen einer zehnmonatigen ethnographischen Feldforschung innerhalb der Berliner Schwulencommunity und im Feld der HIV-Prävention werden affektive Ambivalenzen und verkörperte Subjekte der biomedizinischen HIV-Prophylaxe untersucht. Dabei sollen institutionelle und individuelle Aushandlungsprozesse teilnehmend durch die Mitarbeit in unterschiedlichen Präventionsprojekten beobachtet und die subjektiven Erfahrungen schwuler Männer zusätzlich durch unterschiedliche Interviewformate (biografisch-narrative, teils follow-up, Interviews; Fokusgruppen; semistrukturierte Online-Interviews) erfasst werden. Die teilnehmende Beobachtung wird des Weiteren durch Expert*inneninterviews im Bereich der HIV-Prävention, die Analyse epidemiologischer Diskurse und die systematische Sichtung von Online-Datingprofilen ergänzt.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung