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Die Deindustrialisierung in Deutschland und Frankreich: Erfahrungen und Emotionen von den 1960er Jahren bis in die Gegenwart. The Unmaking of the Working Class?

Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung seit 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 469965502
 
Das Projekt DesinEE will eine vergleichende und transnationale deutsch-französische Mikrosozialgeschichte der Deindustrialisierung an der Schnittstelle von Erfahrungs- und Emotionsgeschichte schreiben. Es analysiert Deindustrialisierung als ein Ensemble lokalisierter ökonomischer, soziopolitischer und kultureller Erfahrungen, die sich in emotionalen Gemeinschaften von Arbeiter*innen von den frühen 1960er Jahren bis in die Gegenwart artikulieren. Dabei wird untersucht, wie ein grundsätzlich transnationales Phänomen sich in unterschiedlichen industriellen Räumen auf der lokalen Ebene kontextspezifisch auswirkt.Der Untertitel des Projekts spielt auf die Pionierstudie von E.P. Thompson über die politische Soziabilität der englischen Arbeiterschaft an. Während für den marxistischen britischen Historiker die Arbeiterklasse sich in der Kontinuität tradierter Gemeinschaften und als Reaktion auf die Verschlechterung der Lebensbedingungen konstituierte, wollen wir in deutsch-französischer Perspektive die zeitgeschichtlichen Effekte der Deindustrialisierung auf die „communautés ouvrières“ erforschen, die wir als emotionale Gemeinschaften fassen.DesinEE verfolgt drei Leitfragen:1. Wie rekonfiguriert die Deindustrialisierung die Erfahrung der betroffenen Arbeiter*innen und welche Emotionen erzeugt sie?2. Wie wirken sich die erzeugten Erfahrungen und Emotionen auf das Verhältnis der Arbeiter*innen zum Politischen, d.h. auf ihre Vorstellungen von der Welt, ideologische Präferenzen, politische Praktiken und Aktivismus, aus?3. Inwiefern haben die Erfahrungen der Deindustrialisierung und die mit ihr verbundenen Emotionen die sozialen Bindungen und Netzwerke der Soziabilität, die zuvor durch die Arbeitswelten strukturiert waren, rekonfiguriert oder gar zerstört?Das Projekt will Nutzen aus den „vertus du bilatéral“ (É. François) ziehen und zugleich den Mehrwert einer Mikrogeschichte fruchtbar machen. Um die Vielfalt der Deindustrialisierungserfahrungen zu erfassen, untersuchen wir unterschiedliche sozialräumliche und industrielle Kontexte in Frankreich und Deutschland, um die Auswirkungen von drei zentralen Faktoren bestimmen zu können: (1) Typ des industriellen Raums: große traditionelle Montanreviere, kleine und mittlere Industriestädte; (2) betroffene Branche; und, mit der Branche zusammenhängend, die Geschlechterstruktur der betroffenen Belegschaften. Dahintersteht die allgemeinere Frage nach der Genderdimension von Deindustrialisierungserfahrungen. Das Projekt kombiniert Oral-History mit schriftlichen Quellen.In einem Kontext von Entpolitisierung und Aufstieg des Rechtsextremismus in vielen der von Deindustrialisierung betroffenen Regionen kommt dem Projekt hohe Aktualität und politische Relevanz zu. Während Mediendiskurse von Niedergangsnarrativen Nostalgie und mitunter Stigmatisierung geprägt sind, geht es uns darum, die Prozesse der Rekonfiguration sozialer und politischer Bindungen in ihrer ganzen Komplexität zu ergründen.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
Internationaler Bezug Frankreich
Kooperationspartner Professor Emmanuel Droit, Ph.D.
 
 

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