Numerische Simulation des rückseitigen Kathodischen Korrosionsschutzes der Bewehrung von Stahlbeton
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Ziel des geförderten Vorhabens war es, Erkenntnisse über die Anwendbarkeit des Kathodischen Korrosionsschutzes (KKS) als Instandsetzungsmethode für von chloridinduzierter Korrosion betroffene Stahlbetonbauteile mit komplexer Anordnung von aktiver und passiver Bewehrung sowie des KKS-Anodensystems zu gewinnen. Insbesondere sollte die Möglichkeit, depassivierte Bewehrungsbereiche durch flächige KKS-Anoden an der Bauteilrückseite wirksam zu schützen, untersucht werden. Dazu wurde ein 3D Finite Elemente Modell erarbeitet, welches in der Lage ist, die Stromund Potentialverteilung beim KKS unter Berücksichtigung der Bauteilgeometrie, des Betonwiderstandes sowie der Polarisationswiderstände der aktiven und passiven Bewehrung sowie des Anodensystems zu berechnen. Insbesondere die Berücksichtigung der Polarisationswiderstände der Bewehrung in Form von Butler-Vollmer-Beziehungen sowie die Implementierung der Kinetik der KKS-Anode und der anliegenden Treibspannung im Modell stellen hierbei einen wesentlichen Fortschritt gegenüber dem zum Zeitpunkt der Antragsstellung vorliegenden Stand der Forschung dar. Die Anwendbarkeit des erarbeiteten Modells wurde durch den Vergleich mit Laborversuchen zunächst an einfachen Prüfkörpergeometrien, wie in der Folge auch an großformatigen Prüfkörpern mit Bauteilgeometrien verifiziert. Somit war es nunmehr möglich, die Strom- und Potentialverteilung für nahezu beliebige geometrische Anordnungen der Bewehrung und des KKS-Anodensystems vorherzusagen und den Einfluss verschiedener Randbedingungen, z.B. einer Änderung des Betonwiderstandes durch Austrocknung, mittels Parameterstudien zu bestimmen. Aus der Praxis ist bekannt, dass sich die Strom- und Potentialverteilung beim KKS von Stahlbeton im Laufe der Zeit verändert. Diese Tatsache ist, neben der Veränderung der Betonwiderstände im Bauteil, den so genannten sekundären Schutzeffekten, der Migration von Chloriden im elektrischen Feld sowie einem Anstieg des pH-Wertes an der Bewehrungsoberfläche, geschuldet. Um die langfristige Wirksamkeit des KKS beurteilen zu können, lag ein weiterer Schwerpunkt des Vorhabens darin, die sekundären Schutzeffekte, deren Quantifizierung Gegenstand des Parallelvorhabens „Schutzmechanismen bei kathodischer Langzeitpolarisation und rückseitiger kathodischer Korrosionsschutz von Stahl in Beton“ an der Bundesanstalt für Materialforschung und –prüfung (BAM) waren, in das erarbeitete Modell zu integrieren. Im ersten Schritt wurde die Migration von Chloridionen im elektrischen Feld in Richtung der KKS-Anode, welche langfristig zu einer Reduktion des Chloridgehaltes führt, mittels des Ansatzes der Nernst-Planckschen Gleichung in das erarbeitete Modell integriert. Die Anwendbarkeit dieses Ansatzes konnte ebenfalls über den Vergleich mit Laborprüfkörpern verifiziert werden. Ein wesentliches Ergebnis des Parallelvorhabens der BAM war letztlich, dass die zeitliche Veränderung der Stromdichte-Potentialbeziehung der Bewehrung als Funktion der Gesamtladung, welche an der entsprechenden Elektrodenoberfläche umgesetzt wurde, beschrieben werden kann. Dieser Zusammenhang wurde ebenfalls implementiert. Durch die Durchführung von Parameterstudien konnten mittels dieses Ansatzes zum Einen aus der Praxis bekannte Phänomene, wie z.B. das Absinken der zum Erreichen des 100 mV-Kriteriums notwendigen Schutzstromdichte, erstmals rechnerisch nachgestellt, als auch die Auswirkung der sekundären Schutzeffekte auf den KKS von der Bauteilrückseite quantifiziert werden. Es wurde festgestellt, dass insbesondere bei niedrigen Elektrolytwiderständen, wie sie z.B. bei erdberührten Bauteilen (Tunnelschalen, etc.) vorkommen, die Schutzstromverteilung zur rückwärtigen, depassivierten Bewehrung mit steigender Dauer der Anwendung signifikant begünstigt werden kann. Zukünftige Arbeiten sollten sich vertiefend mit dem Einfluss der zeitabhängigen Effekte beim KKS von Stahlbeton beschäftigen. Insbesondere die Klärung der Fragestellung, ob und unter welchen Bedingungen ein KKS-System am Ende der Lebensdauer der wesentlichen Systemkomponenten (Fremdstromanoden, Gleichrichter, etc.) erneuert werden muss, oder ob von einem anhaltenden Schutz der Bewehrung ausgegangen werden kann, ist zu untersuchen. Indes haben einige Erkenntnisse des Vorhabens bereits Eingang in die Praxis gefunden. Das erarbeitete Modell zur Vorhersage der Strom- und Potentialverteilung wurde bereits als Hilfsmittel zur Beurteilung der Anwendbarkeit verschiedener Anodentypen unter speziellen geometrischen Randbedingungen sowie auch bei der Entwicklung von Sonderlösungen wie der so genannten KKS-Barriere verwendet. Diese Maßnahmen wurden mittlerweile umgesetzt. Messungen bestätigen die Richtigkeit der durchgeführten numerischen Voruntersuchungen. Eine Verwendung der während des Projektes erzielten Fortschritte im Bereich der numerischen Simulation von Korrosionsprozessen von Stahl in Beton kann zur Klärungen weiterer wissenschaftlicher Fragestellungen aus dem Bereich der Korrosionsforschung herangezogen werden. So könnten beispielsweise numerische Betrachtungen zur Korrosionsinitiierung den der Lochfraßbildung zugrunde liegenden Mechanismen oder dem Korrosionsfortschritt an der Anode angestellt werden.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Numerical Modelling of Cathodic Protection Applied to Protect the Rear Reinforcement in RC-Structures : Numerische Modellierung von rückseitigem kathodischen Schutz für die Bewehrung. Houston, Tex. : NACE , 2008. In: 17th International Corrosion Congress, Corrosion Control in the Service of Society, Las Vegas, October 6 - 10, 2008
Raupach, M. ; Bruns, M.
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CP of the Rear Reinforcement in RC-Structures - Numerical Modelling of the Current Distribution : Rückseitiger kathodischer Korrosionsschutz - Numerische Modellierung der Stromverteilung. London [u.a] : CRP Press Taylor & Francis Group, 2009. In: Proceedings of the 2nd International Conference on Concrete Repair, Rehabilitation and Retrofitting (ICCRRR), Cape Town, South Africa, November 24-26, 2008
Bruns, M. ; Raupach, M.
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Investigations on the Chloride Migration in Consequence of Cathodic Polarisation. In: Materials and Corrosion 61 (2010), Nr. 6, S. 512-517
Eichler, T. ; Isecke, B. ; Wilsch, G. ; Goldschmidt, S. ; Bruns, M.
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Numerical Evalutation of Chloride Migration Caused by Cathodic Protection of RC-Structures : Numerische Untersuchungen zur Chloridmigration beim Kathodischen Korrosionsschutz von Stahlbetonbauteilen. Moscow : Congress Center of World Trade Center, 2010. In: From the Earth Depths to Space Heights, EUROCORR 2010, Moscow, 13 -17 September 2010, 16 Seiten ISBN 978-5- 317-03383-5
Helm, C. ; Raupach, M. ; Wolf, C.
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Time dependency of current and potential distribution during the cathodic protection of RC structures. EUROCORR 2011 in Stockholm, 4.-8. September 2011
Helm, C. ; Raupach, M. ; Eichler, T. ; Isecke, B.