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Kompetenzen. Zur Entstehung des deutschen öffentlichen Rechts

Antragsteller Dr. Christian Neumeier
Fachliche Zuordnung Öffentliches Recht
Förderung Förderung von 2021 bis 2023
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 470604715
 
Sprechen deutsche Juristinnen und Juristen über politische Institutionen, so sprechen sie häufig über ‚Verfassungsorgane‘ und deren ‚Kompetenzen‘, nicht über Parlamente oder Regierungen. Bundestag und Bundesregierung, Bundesrat und Bundesverfassungsgericht gelten in diesem Sinne gleichermaßen als Organe, die Kompetenzen ausüben.Warum? Das ist die Frage, der die Dissertation nachgeht. Sie hat zwei Aspekte. Der eine ist historisch:In welcher Situation begann man in Deutschland, juristisch über politische Institutionen in den abstrakten Begriffen von Organ und Kompetenz zu sprechen? Die Arbeit verfolgt in den ersten fünf Kapiteln, wie liberale Juristen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts eine neue Theorie des öffentlichen Rechts entwickelten. In ihr war nicht mehr von Verfassungen oder Politik und kaum von Freiheit die Rede, sondern von den Aufgaben, die ein abstraktes politisches Subjekt namens Staat durch Organe, die Kompetenzen ausübten, für seine Bürger erledigen sollte. Der ‚Staat’, das hieß konkret zumeist: die Verwaltungen. Diese neue Verfassungstheorie, deren zentraler Begriff Kompetenz war, mündete in der Vorstellung, daß die Legitimität politischer Herrschaft in den Leistungen bestand, die eine moderne Verwaltung für ihre Bürger erbrachte. Die Arbeit fragt nach den Entstehungsbedingungen, den politischen Hoffnungen und den Gegnern dieser Theorie.Kompetenz, so die These, ist ein Paradigma politischer Herrschaft, ebenso wie es einmal Souveränität war oder wie es constitutionalism noch heute ist. Ihm liegt im Kern die Vorstellung zu Grunde, dass politische Herrschaft durch eine einzige und durch begrenzte Ermächtigungen, die verschiedenen Akteuren bestimmte Aufgaben und Befugnisse zuweisen – Kompetenzen eben. Die Arbeit vollzieht die Entstehung dieser Vorstellung auf drei Ebenen nach: als spezifische Vorstellung des deutschen Liberalismus, als distinkte normative Form und als politische Theorie eines bestimmten Sozialmodells.Der zweite Aspekt der Fragestellung ist systematischer Natur. Was gewinnt und was verliert eine Gesellschaft, wenn ihre Verfassungsjuristen über die politische Selbstregierung freier und gleicher Bürgerinnen und Bürger in den abstrakten Begriffen einer Organisationstheorie sprechen, die Parlamente zu Organen, Politik zur Erledigung von Sachaufgaben und politische Herrschaft zur Ausübung von Kompetenzen deklariert? Das letzte Kapitel geht anhand exemplarischer Theoreme der Frage nach, wie sehr das deutsche öffentliche Recht noch heute von der mit dem Begriff ‚Kompetenz‘ verbundenen Vorstellung einer bruchlosen Übersetzung von Politik in Verwaltung geprägt ist.
DFG-Verfahren Publikationsbeihilfen
 
 

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