Restorative Justice als Interventionsansatz ziviler Konfliktbearbeitung in Nachbürgerkriegsgesellschaften. Eine Fallstudie zu Nordirland
Final Report Abstract
Der erste wissenschaftliche Fortschritt der Studie besteht in der Erkenntnis, dass lokale, gemeinschaftsbezogene Restorative-Justice-NGOs einen Beitrag zur nachhaltigen Stabilisierung von Post-Konflikt-Gesellschaften leisten können. Dieser Beitrag liegt in erster Linie in der konstruktiven Intervention gegen jene Gewaltphänomene, die unter den Bedingungen von Anomie und Gewaltanfälligkeit typischerweise in Post-Konflikt-Gesellschaften auftreten und zum Zustand mangelnder autorativer Gewalt des Staates beitragen und in einem wechselhaften Bezug dazu stehen. Die lokalen NGOs tragen als nicht-staatliche Akteure zum Prozess der Rechtsfindung bzw. Herstellung von Gerechtigkeit bei: es wird ein gemeinschaftsbezogener Prozess organisiert, der unter den Bedingungen mangelnder Rechtsstaatlichkeit den staatlich organisierten Rechtsfindungsprozesses zumindest teilweise kompensieren kann. Im nordirischen Fall wurde nach jahrelangen Diskussionen ein integriertes und kooperatives Zusammenspiel zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren aufgebaut: Polizei und Restorative-Justice-NGOs haben eine Kooperation erreicht, die sich positiv auf die Stabilität des Friedenskonsolidierungsprozesses ausgewirkt hat. Restorative Justice verbindet die Garantie von Sicherheit in Post-Konflikt-Gesellschaften mit der Herstellung von Recht und Gerechtigkeit. Der zweite wissenschaftliche Fortschritt besteht in Auseinandersetzung mit der Rolle nicht-staatlicher Akteure in den Politikfeldern Sicherheit und Recht, wodurch auch ein Beitrag zur Governance-Forschung geleistet wurde, nämlich aus der Perspektive von Non-State Security Govemance. Im Projektveriauf und bei den Ergebnissen ergaben sich „Überraschungen": Vor dem Hintergrund von über 40 Jahre offener Feindschaft der IRA und „ihrer" republikanisch-katholischen Gemeinschaft gegenüber der Polizei war die erste Überraschung der relativ schnelle Wandel in der Haltung der republikanischen Seite gegenüber der Polizei - quasi wie auf Knopfdruck. Umgekehrt fand ein ebenso schneller und fundamentaler Wandel in der Haltung der Polizei gegenüber den nicht-staatlichen „Sicherheitsakteuren". Die zweite Überraschung war, dass von allen Akteuren dem Restorative-Justice-Ansatz auch nach dem Abschluss eines Friedenskonsolidierungsprozesses, d.h. unter den Bedingungen funkfionierender Rechtsstaatlichkeit, eine Bedeutung zugemessen wird. Auch dann existieren Handlungsräume für nichtstaatliche Akteure innerhalb des staatlichen Rechtsfindungsprozesses.
Publications
- (2007), Jenseits der „terroristischen Bedrohung". Charakterwandel der Gewaltakteure im nordirischen Frieden sprozess. In: Wissenschaft & Frieden, 1 (25), S. 33-36
Baumann, Marcel
- (2008), „Kein Baum kann hoch genug sein ..."? Restorative Justice als gewaltfreie Alternative zu repressiver Populärjustiz. In: gewaltfreie aktion: Vierteljahresschrift für Frieden und Gerechtigkeit, 151 (39), S. 3-8
Baumann, Marcel
- (2009), Die Garantie von Sicherheit und das Recht auf Gerechtigkeit: Zur Erklärung und Prävention vigilantistischer Gewalt am Beispiel Nordirland. In: Zeitschrift für Rechtssoziologie, 30(1), Juli 2009, S. 85-108
Baumann, Marcel
- (2009), Transforming conflict toward and away from violence: Bloody Sunday and the hunger strikes in Northern Ireland. In: Dynamics of Asymmetric Conflict
Baumann, Marcel
- (2009), Understanding the Other's "Understanding" of Violence: Legitimacy, Recognition, and the Challenge of Dealing with the Past in Divided Societies, in: International Journal of Conflict and Violence, 2009, 3(1), S. 107-123
Baumann, Marcel
- (2010), Voluntary Apartheid and the Social Closure of Post-War Societies: A critique of state-based approaches to post-conflict peace-building. In: Soeffner, Hans-Georg (Hrsg.), Unsichere Zeiten. Herausforderungen gesellschaftlicher Transformationen. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften
Baumann, Marcel