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Sprach- und Kulturdynamik in einer Frontiergesellschaft: Neue Perspektiven auf Nordostbayern und Westböhmen im frühen Mittelalter

Fachliche Zuordnung Angewandte Sprachwissenschaften, Computerlinguistik
Ur- und Frühgeschichte (weltweit)
Förderung Förderung seit 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 490754677
 
Am Rande der aktiven fränkischen politischen Expansion aus dem Westen und als Zeuge der Entstehung neuer slavischer politischer Strukturen im Osten waren Nordostbayern und Westböhmen zwischen dem siebten und dem zwölften Jahrhundert unserer Jahrzählung eine Art Frontiergesellschaft – besiedelt von einer heterogänen Bevölkerung, die sprachlich und semiotisch soziale und kulturelle Normen aushandelte. Für die Erforschung dieser Prozesse mit den sich entwickelnden und verschiebenden Zuordnungs- und Verteilungsmustern haben wir einen interdisziplinären Zugang gewählt, um qualitative Data und Einsichten aus der historischen Linguistik, Archäologie und Historiographie mit komplexen digitalen Methoden zu kombinieren und im Sinne der distributionellen Eigenschaften auszuwerten. In diesem Rahmen bringen wir gegenwärtige theoretische und methodologische Fortschritte in den historischen Disziplinen mit den Kulturstudien zusammen, um so die Indikatoren von Sozialpraktiken und Siedlungsprozessen im Zusammenhang mit den Namengebungsprozessen und Wortbildungsmustern zu erforschen. Dabei betrachten wir Hydronyme, Siedlungsnamen, Lehnwörter, Begräbnisrituale und Bautraditionen als Kulturausdrücke, die im Ansatz mit kulturellen und sozialen Netzwerken korrelierten und zwischen diesen Netzwerken transferiert warden konnten. Im untersuchten Gebiet verliefen diese Ausdrücke selten parallel zueinander, sie unterschieden sich besonders zwischen Oberfranken, Böhmen und der Oberpfalz und gaben Indizien für einen zusammengesetzten Kultur- und Sozialraum. Somit erscheint ein breites Kontaktgebiet mit graduellen Veränderungen in der kulturellen Zugehörigkeit und der sozialen und ökonomischen Organisation. Gleichzeitig entwickelten sich in dieser Region soziale Praktiken, die zunehmend in der zweiten Hälfte des ersten Millenniums der germanischen und/oder der slavischen Kultur zugeordnet werden konnten.Im allgemeinen Sinne beabsichtigen wir ein übertragbares Modell für die Rekonstruktion von sozialen und kulturellen Prozessen in Kontaktsituationen zu entwickeln und den Diskurs über die angenommene Frontiergesellschaft im Grenzraum zwischen Bayern und Böhmen im frühen Mittelalter zu befürdern. Insbesondere beabsichtigt dieses Projekt (1) die überlieferte Toponymie und die relevante lexikalische Evidenz auch bezüglich ihrer relativen und approximativen Entstehungschronologie neu zu bewerten und die soziokulturellen Referenzkontexte zu analysieren; (2) anhand der archäologischen Funde (der Keramikstile und Begräbnisrituale) die kulturellen Marker und Rituale als mögliche Ausdrücke dynamischer und ausgehandelter Identitäten zu überprüfen; (3) die Potentiale und Probleme der Verbindbarkeit archäologischer und linguistischer Evidenz (besonders bezüglich Kontinuität vs. Konvergenz) mithilfe geospatieller Analyse von distributionellen Mustern systematisch zu erforschen und ihren Beitrag zur Rekonstruktion vergangener Kulturkontakte und Entwicklungen zu erörtern.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
Internationaler Bezug Tschechische Republik
Kooperationspartner Privatdozent Tomas Klír, Ph.D.
 
 

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