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Judenspanisch in Bulgarien: eine Kontaktsprache zwischen Archaismus und Innovation

Fachliche Zuordnung Allgemeine und Vergleichende Sprachwissenschaft, Experimentelle Linguistik, Typologie, Außereuropäische Sprachen
Förderung Förderung seit 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 491553503
 
Das Projekt verfolgt sowohl ein empirisch-korpuslinguistisches als auch ein theoretisches Ziel. Auf empirischer Basis sollen das in Sofia (Westbulgarien) und Plovdiv (Ostbulgarien) gesprochene Judenspanisch sowie die jeweiligen bulgarischen Kontaktvarietäten kontrastiv analysiert werden. Mit der Analyse ausgewählter phonologischer und morphosyntaktischer Merkmale (Vokalismus, Intonation, Pronomina, Wortstellung) der beiden judenspanischen Varietäten im Vergleich zum modernen iberischen Spanisch, zu den entsprechenden urbanen Varietäten des Bulgarischen und zum Altspanischen soll ein besseres Verständnis des Status quo der im Kontakt stehenden Sprachen erlangt werden. So soll im Kontext aktueller Sprachkontaktforschung zur Klärung der Frage beigetragen werden, welche der untersuchten sprachlichen Bereiche für kontakt-induzierten Wandel anfällig sind. Entgegen gängigen Annahmen gehen wir davon aus, dass das Judenspanische nicht auf allen sprachlichen Ebenen in gleichem Maße unter direktem Einfluss der Kontaktvarietäten steht. Stattdessen nehmen wir an, dass der kerngrammatische Bereich für kontaktbedingten Wandel wenig anfällig ist und dass entsprechende Veränderungen natürlichen Wandelprozessen (z. B. Grammatikalisierung) unterliegen. Das Bulgarische scheint vor allem bei Phänomenen, die an sog. externen Schnittstellen wie z. B. zur Informationsstruktur angesiedelt sind, als Katalysator zu wirken. In Abgrenzung zur gängigen Interface-Theorie argumentieren wir dafür, dass an Schnittstellen Äquivalenzbeziehungen zwischen den Kontaktsprachen relevant werden: Ob Konstruktio-nen bzw. Merkmale aus einer Kontaktsprache entlehnt werden, oder Strukturen erhalten bleiben, hängt nicht nur davon ab, ob diese an der Schnittstelle zur Pragmatik/Informationsstruktur angesiedelt sind, sondern hauptsächlich davon, ob zwischen den Kontaktsprachen strukturelle Äquivalenzrelationen vorliegen. Für das in Bulgarien gesprochene Judenspanisch schlagen wir vor, dass sich innovative Phänomene (z. B. klitische Dopplung bei Akkusativobjekten; Vokalreduktion in unbetonten Silben; vom Spanischen abweichende Betonungsmuster und Tonhöhenakzente) durch parallele Muster im Bulgarischen erklären lassen. Ebenso werden archaische Muster (z. B. Stylistic Fronting; Possessiva; Sibilanten), die im Altspanischen belegt sind und die das Judenspanische von anderen Varietäten des modernen Spanisch unterscheiden, durch die Präsenz entsprechender Strukturen in den bulgarischen Kontaktvarietäten gestützt. Phänomene des kerngrammatischen Bereichs wie z. B. der feststellbare Wandel hinsichtlich der Klitikstellung des in Bulgarien gespro-chenen Judenspanisch unterliegen hingegen natürlichen Grammatikalisierungsprozessen, die auch in monolingualen Regionen des spanischsprachigen Raums festzustellen sind.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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