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Die Anwendung von Pupillometrie in der bilingualen Sprachentwicklungsstörungsdiagnostik
Antragstellerin
Professorin Dr. Anna-Lena Scherger
Fachliche Zuordnung
Angewandte Sprachwissenschaften, Computerlinguistik
Förderung
Förderung seit 2022
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 493770011
Mit wachsender sprachlicher Heterogenität in gesellschaftlichem Alltag, Schulen und Praxen gehen Herausforderungen an Politik, Bildung und Gesundheitswesen einher. Diese Heterogenität kann mehrsprachigkeitsbedingt sein oder auf Sprachentwicklungsstörungen zurückgehen. Etwa 7% aller Kinder eines Jahrgangs gelten als sprachentwicklungsgestört. Diese Kinder zeigen ähnliche sprachliche Muster wie zweisprachige normalentwickelte Kinder, deren sprachliche Fähigkeiten auf Grund der Mehrsprachigkeit verzögert sein können. Dies birgt die Schwierigkeit für Sprachtherapeuten und Ärzte zu entscheiden, ob ein im Deutschen auffälliges mehrsprachiges Kind eine Therapie benötigt (von Logopäden durchgeführt, von Krankenkassen finanziert) oder eine Sprachförderung (von pädagogischen Fachkräften durchgeführt, von Bund/Ländern finanziert). Aus dieser Situation resultieren gehäuft Fehldiagnosen, die den mehrsprachigen Kindern den Start in die Grundschule sprachlich erschweren. Bisher basiert die Diagnostikforschung bei mehrsprachigen Kindern größtenteils auf Sprachproduktionsdaten der Kinder. Es gilt allerdings, die Kinder möglichst früh vor der Einschulung zu diagnostizieren, um sie rechtzeitig therapieren zu können. Sprachverarbeitung und Sprachverständnis gehen der Sprachproduktion üblicherweise voraus. Daher setzt die vorliegende Projektidee in der Sprachentwicklungschronologie einen Schritt früher an, bei der frühen Sprachverarbeitung, und implementiert eine innovative Technik in die linguistische Diagnostik, die Pupillometrie. Dabei werden die Pupillengröße und deren Änderung gemessen, während die Versuchsperson Sätze hört. Pupillenweitung wurde jüngst bei einsprachigen Kleinkindern als Marker von Reaktionen auf Unerwartetes - z.B. auf ungrammatische Sätze - herangezogen. In dem geplanten Forschungsprojekt sollen die Grundlagen für eine pupillometriebasierte Diagnostik gelegt werden mit dem Ziel der frühzeitigen Feststellung von Therapiebedarf bei mehrsprachigen Kindern. Anhand ihrer Pupillenreaktionen sollen mehrsprachige Kinder direkt bei Kindergarteneintritt in zwei Experimenten daraufhin untersucht werden, ob sie nach der Präsentation eines jeweils 15-minütigen, kontrollierten Inputs bereits sensibel für ungrammatische Äußerungen in frühen Sprachentwicklungsbereichen werden (operationalisiert als Pupillenänderung). Das Studiendesign ist als Kombination aus Quer- und Längsschnitt angedacht: Die Kinder werden über 24 Monate begleitet und mehrfach untersucht, um rückblickend anhand der Sprachproduktion feststellen zu können, ob die Kinder, die bei Kindergarteneintritt keine Pupillenreaktion auf ungrammatische Sätze gezeigt hatten, mit 24 Kontaktmonaten auch produktiv eine Sprachentwicklungsstörung ausgebildet haben. Die Ergebnisse sollen als Grundlagenforschung zur pupillometriebasierten Diagnostik dienen, um längerfristig der Fehlversorgung mehrsprachiger Kinder entgegenzuwirken.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen