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Trigger-Ereignisse, emotionale Klimata und Kaskaden kultureller Identitätskonflikte

Fachliche Zuordnung Politikwissenschaft
Förderung Förderung seit 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 493809260
 
Kulturelle Identitätskonflikte sind emotional stark aufgeladen und manifestieren sich häufig in spontan auftretendem Massenverhalten wie Proteste oder Unruhen. Wie lassen sich solche nicht-linearen und kurzzeitigen Eskalationsdynamiken erklären?Das Projekt adressiert drei bestehende Defizite: die Fokussierung auf zeitinvariante strukturelle Faktoren, die Überbetonung von top-down-rationalistischen oder Framing-Ansätzen sowie die fehlende Berücksichtigung kollektiver Emotionen. Um den Fokus auf quasi-konstante strukturelle Faktoren und Strategien von Eliten zu überwinden, nimmt das Projekt eine prozessorientierte Bottom-up-Perspektive ein und begreift konflikthaftes Massenverhalten als Kaskaden. Darunter wird die Ausbreitung von selbstorganisierendem Massenverhalten unterschiedlicher Intensität und Extensität verstanden, das durch Triggerereignisse spontan ausgelöst wird. Die Rolle solcher Auslöserereignisse bleibt untertheoretisiert, wobei insbesondere die relative Bedeutung von zeitinvarianten Kontexten und zeitvarianten Ereignissen umstritten ist. Das Projekt orientiert sich am Prinzip Selbstorganisierter Kritikalität (SOC) als Charakteristikum komplexer Systeme, das epidemische Kaskaden hervorruft. Das „Waldbrandmodell“, das ein strukturelles Aktionspotenzial mit aktivierenden Auslösern kombiniert, dient als Ausgangspunkt für die Theorieentwicklung.Unser Ansatz stellt emotionale Klimata als Potenzial in den Vordergrund. Kollektivhandeln ist zu erwarten, wenn Auslöserereignisse dieses Potenzial aktivieren und kollektive Selbstorganisation für eine Verbreitung entsprechender Handlungstendenzen innerhalb des sozialen Kollektivs sorgt. Durch die Kombination von Triggerereignissen, kollektiven Emotionen und Selbstorganisation liefert unser Modell eine innovative und umfassende Erklärung von Eskalationsdynamiken in kulturellen Identitätskonflikten. Zur empirischen Analyse des Modells wenden wir einen Mixed-Methods-Ansatz an. Zunächst werden mittels eines qualitativen Verfahrens Auslöserereignisse bestimmt und eine Messung der Intensität und Extensität von Kaskaden vorgenommen. Dies geschieht unter Verwendung eines neuen Datensatzes, der in vorbereitenden Arbeiten zusammengestellt wurde. In einem zweiten Schritt unterziehen wir das Modell einem quantitativen Test. Hierzu messen wir die kollektive Selbstorganisation und das emotionale Klima durch Netzwerk- und Sentimentanalysen anhand von Twitter-Daten. Für letztere Analysen wird ein bislang fehlendes Wörterbuch zur Emotionsmessung entwickelt. Über Matching- und Regressionsverfahren wird die Robustheit des Modells unter verschiedenen strukturellen und institutionellen Kontexten analysiert. Der dritte Schritt besteht aus einem qualitativen Test des Modells. Basierend auf der statistischen Auswertung wählen wir typische und abweichende Fälle für Prozessanalysen aus. In Zusammenarbeit mit lokalen ExpertInnen werden konfliktspezifische Fallstudien erstellt und einem systematischen Vergleich unterzogen.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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