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Nicht-Standard-Atmosphären von Neutronensternen in Röntgendoppelsternen geringer Masse: Thermonukleare Asche nach Röntgenausbrüchen und Wechselwirkung mit dem Akkretionsstrom
Antragsteller
Professor Dr. Klaus Werner
Fachliche Zuordnung
Astrophysik und Astronomie
Förderung
Förderung seit 2022
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 496165779
Die Kenntnis fundamentaler Parameter von Neutronensternen (NS), wie Masse und Radius, ist wichtig für das Verständnis der Nukleonwechselwirkung in kühler dichter Materie, auch bekannt als das Problem der Zustandsgleichung. Studien der spektralen Entwicklung mächtiger photosphärischer Radiusexpansion-(PRE)-Röntgenausbrüche in Röntgendoppelsternen niedriger Masse lieferten wichtige Beiträge zur Bestimmung von NS-Radien. Die Ergebnisse wurden bestätigt durch die Untersuchungen des NS-NS-Verschmelzungsereignisses GW170817 und die Pulsprofile von Millisekundenpulsaren, die mit dem Röntgenobservatorium NICER beobachtet wurden. Die beobachtete spektrale Entwicklung von PRE-Ausbrüchen wurden mit Sequenzen heißer NS-Modellatmosphären angepasst (sogenannte cooling-tail-Methode). In letzter Zeit wurde der Einfluss verschiedener systematischer Effekte auf die Präzision der NS-Radiusbestimmung betrachtet, nämlich die schnelle Rotation des NS und das Aufheizen der Atmosphäre durch den Akkretionsfluss während späterer Ausbruchsphasen. Allerdings ist die erste der zwei wichtigsten systematischen Unwägbarkeiten der Methode die chemische Zusammensetzung der Atmosphäre. Weil inzwischen die NS-Radien mit hinreichend guter Genauigkeit bekannt sind (12+/-0.4 km, z.B. Al-Mamun et al. 2021), eröffnet sich nunmehr die Möglichkeit, die chemische Zusammensetzung der Atmosphären von NS mit Hilfe der cooling-tail-Methode zu untersuchen. Neben dem Auffinden von heliumreichen weißen Zwergen als Donor-Sterne wurden PRE-Röntgenausbrüche mit klaren Hinweisen auf die Anreicherung der Atmosphäre mit nuklearer Brennasche beobachtet. Wir wollen ein neuartiges Gitter von NS-Modellatmosphären mit einer chemischen Zusammensetzung, die für nukleare Brennasche erwartet wird, berechnen, und sie für die Untersuchung der chemischen Zusammensetzung der Photosphären bekannter PRE-Röntgenausbrüche verwenden. Der zweite wichtige physikalische Prozeß, der die spektrale Entwicklung des Röntgenausbruchs beeinflusst, ist die Wechselwirkung der Atmosphäre mit dem Akkretionsstrom während mittlerer bis später Kühlphasen des Ausbruchs. Die Akkretion ist beim Maximum eines PRE-Ausbruchs gestoppt, vielleicht durch die Kraft des Strahlungsdrucks, setzt dann aber offensichtlich wieder ein, sobald die Ausbruchsleuchtkraft auf die Hälfte der Eddingtonleuchtkraft abgesunken ist. Die Aufheizung der Atmosphäre durch freifallende Ionen wurde bereits untersucht und jetzt planen wir, die Abbremsung der Ionen durch den Strahlungsdruck und die Strukturen der entstehenden Atmosphärenaufheizung sowie die entstehende Strahlung zu untersuchen. Dieses Problem ist eng verwandt mit der Untersuchung von Strahlungszonen in akkretierenden Millisekunden-Röntgenpulsaren und es besteht die begründete Hoffnung, dass wir deren Strahlungsspektren ebenso durch unsere Modelle erklären können.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen