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Die Rolle des ‚Status-Quo-Bias‘ für den Verbleib im landwirtschaftlichen Familienbetrieb und Immobilität – illustriert anhand empirischer Daten aus Südosteuropa
Antragstellerinnen
Professorin Gertrud Buchenrieder, Ph.D.; Dr. Judith Möllers
Fachliche Zuordnung
Agrarökonomie, Agrarpolitik, Agrarsoziologie
Förderung
Förderung seit 2022
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 496553553
Die Transformation im Agrarsektor und die sinkende Zahl der in der Landwirtschaft beschäftigten Personen gehen häufig mit einer zunehmenden Entvölkerung des ländlichen Raums einher. Beide Phänomene haben auch in postkommunistischen Ländern dazu geführt, dass die Landbevölkerung zunehmend überaltert und "Geisterdörfer" entstehen. Diese Entwicklungen waren und sind Gegenstand vieler wissenschaftlicher Studien. Dennoch bleibt die Mehrheit weiterhin vor Ort. In diesem Forschungsantrag wenden wir uns deshalb bewusst vom sogenannten ‘Mobilitäts-Bias’ ab und rücken den Teil der ländlichen Bevölkerung in den wissenschaftlichen Fokus, der sich zum Verbleib in der Landwirtschaft und in der ländlichen Region entscheidet. Diese Perspektive wurde in der wissenschaftlichen Literatur bisher kaum eingenommen. Deshalb stellen wir Faktoren, die das Verharren in der Landwirtschaft und in der ländlichen Region beeinflussen, in den Vordergrund. Theoretisch inspiriert ist das Forschungsvorhaben vom so genannten Status-Quo-Bias, der als (übertriebene) Präferenz für den Ist-Zustand beschrieben wird. Die von uns angestrebte Erweiterung mikroökonomischer Entscheidungsmodelle durch den Status-Quo-Bias ist wichtig, um die Frage zu beantworten, warum Individuen weiterhin in der Landwirtschaft arbeiten und im ländlichen Raum verbleiben, trotz Strukturwandel und Migrationsanreizen. Ein deskriptives Status-Quo-Modell, das auf der Wert-Erwartungstheorie basiert, leitet die empirische Analyse des Bleibeverhaltens. Zur Operationalisierung ist die Messung des individuellen Status-Quo-Bias mittels innovativer fragebogenbasierter Experimente ein wichtiger erster Schritt. Für die tiefergehende Analyse der Entscheidungsfindung werden die Theorie des geplanten Verhaltens (TPB) und ein Strukturgleichungsmodell (SEM) herangezogen. Diese Kombination der TPB mit einem SEM hat sich für die Untersuchung subjektiver Überlegungen in Bezug auf die Absicht, ein bestimmtes Verhalten aus- bzw. insbesondere auch nicht auszuführen bewährt (hier die Entscheidung, den landwirtschaftlichen Betrieb nicht zu verlassen und nicht zu migrieren). Als Länderstudien schlagen wir Albanien und Kosovo vor. Beide Länder sind durch ländliche Sektoren mit kleinen Familienbetrieben geprägt und Migration ist zur allgegenwärtigen Handlungsoption geworden. Hierdurch wird ein Verbleib im Status Quo, also weiterhin in der Landwirtschaft zu arbeiten und vor Ort zu bleiben, zu einer Handlungsalternative, die bewusst gewählt werden muss. Dieses Forschungsprojekt wird nicht nur Erkenntnisse in der Grundlagenforschung zu Status-Quo-Entscheidungen liefern, sondern auch dazu beitragen, ein empirisches Rätsel im Hinblick auf schwer erklärbare Immobilitätsentscheidungen zu lösen. Darüber hinaus trägt es zu einem tieferen Verständnis von Landflucht, landwirtschaftlichem Strukturwandel, unzureichender Regionalentwicklung und dem bröckelnden sozialem Zusammenhalt in der Gesellschaft bei.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen