Detailseite
Projekt Druckansicht

Die Auswirkungen eines Gefängnisaufenthalts auf psychische Gesundheit, Verhalten und das Gehirn: eine naturalistische Fall-Kontroll-Studie

Antragstellerinnen / Antragsteller Professor Dr. Johannes Fuß; Professorin Dr. Simone Kühn
Fachliche Zuordnung Biologische Psychiatrie
Förderung Förderung seit 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 497113771
 
Etwa 63000 Menschen sind in Deutschland in Gefängnissen untergebracht. Wie sich eine Unterbringung im Gefängnis und die dortigen Lebensumstände (z.B. Isolation, Reizdeprivation) auf Gesundheit und Verhalten betroffener Menschen auswirken und ob sie dem Ziel der Rehabilitation dienen, ist kaum beforscht. Hohe Prävalenzraten psychischer Erkrankungen unter Gefangenen sowie hohe Rückfallquoten nach Entlassung stellen die rehabilitative Wirkung in Frage. Weltweit fehlen jedoch Untersuchungen, die sich mit der Veränderung von Gesundheitsparametern und Verhaltensweisen in Haft auseinandersetzen. Dass soziale und Umweltfaktoren Gesundheit und Verhalten beeinflussen können, ist aus anderen Kontexten bekannt. Neuesten umweltneurowissenschaftlichen Erkenntnissen zufolge können sich extreme Umweltbedingungen (z.B. ein Aufenthalt in der Antarktis) negativ auf Gehirnstruktur und -funktion auswirken. Ungünstige Umweltbedingungen in Gefängnissen könnten bereits bestehende Beeinträchtigungen exekutiver Funktionen bei Menschen mit antisozialem und kriminellem Verhalten weiter verstärken. Mit diesem Forschungsvorhaben an der Schnittstelle zwischen Forensischer Psychiatrie und Umweltneurowissenschaften planen wir weltweit die erste Längsschnittstudie zu den Folgen einer Gefängnisunterbringung. Wir wollen auf drei Ebenen untersuchen, wie sich gesundheitsrelevante Faktoren während eines Jahres in Haft verändern: 1) der psychische Gesundheitszustand (gemessen mithilfe diagnostischer Interviews), 2) relevante Verhaltensweisen (psychometrische Messungen und Fragebögen zu exekutiven Funktionen [z.B. Impulsivität als stärkster Prädiktor für Rückfallrisiko] und Hippokampusintegrität [z.B. Navigationsfähigkeit, Arbeitsgedächtnis] und 3) funktionelle und strukturelle Hirnveränderungen (fMRT). Es sollen Daten von 115 Gefangenen während ihrer ersten Tage in Untersuchungshaft sowie ein Jahr später erhoben werden (within-subject). Teilnehmer, die den gesamten Zeitraum (zwölf Monate) im Gefängnis verbringen, sollen mit Teilnehmern verglichen werden, die nach maximal sechs Monaten Untersuchungshaft entlassen werden und sich somit zum Zeitpunkt der zweiten Messungen für mindestens sechs Monate in ihrer gewohnten Umgebung befunden haben (between-subject). Eine zweite Kontrollgruppe soll aus 60 Straftätern mit Bewährungsstrafen bestehen, die ähnliche sozioökonomische Hintergrundfaktoren haben wie Gefangene, jedoch zu keiner Zeit Einflüssen der Gefängnisumgebung ausgesetzt waren. Nach einem Jahr in Haft rechnen wir mit Veränderungen der Gehirnstruktur und -funktion, die mit psychischer Gesundheit und Verhaltensweisen in Zusammenhang gebracht werden sollen. Die Ergebnisse sollen damit erstmals die Folgen einer Inhaftierung für Gehirn, Psyche und Verhalten mithilfe neurowissenschaftlicher Methoden offenlegen. Das langfristige Ziel ist es, Wissen zu generieren, wie Haftbedingungen verbessert werden können, um dem Ziel der Rehabilitation und den Bedürfnissen von Gefangenen zu entsprechen.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung