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Der Beitrag multimodaler Abschlussignale zur zeitlich präzisen Turn-Übergabe
Antragstellerinnen / Antragsteller
Professor Dr. Peter Auer; Professor Stefan Th. Gries, Ph.D.; Privatdozent Dr. Christoph Rühlemann; Professorin Dr. Marion Schulte
Fachliche Zuordnung
Einzelsprachwissenschaften, Historische Linguistik
Förderung
Förderung seit 2022
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 497779797
Das Turn-taking in der menschlichen Face-to-face-Interaktion ist außerordentlich präzise: Turn-Übergaben erfolgen im Schnitt über Sprachen und Kulturen hinweg innerhalb von nur 200 ms. Die Präzision ist semiotisch signifikant: längere Übergaben werden als Vorzeichen unerwarteter Antworten gedeutet. Wie kommt diese Präzision zustande? Die Psycholinguistik nimmt ein Zusammenwirken von frühem prädiktivem Verstehen durch die Rezipientin und der Verwendung von Turnabschluss-Merkmalen durch den Sprecher an. Letztere umfassen, zum Beispiel, Anredeformen, In-die-Länge-Ziehen von Silben oder die Rückkehr des Sprecher-Blicks zur Rezipientin am Turn-Ende, und sie fungieren als ultimative Go-Signale an die Rezipientin, den Antwort-Turn zu artikulieren. Eine große Anzahl an verbalen, gestischen und prosodischen Turnabschluss-Merkmalen wurden bereits identifiziert, jedoch nur auf Basis von sehr kleinen und spezialisierten Datensets und/oder in experimentellen Settings sowie in Isolation voneinander. Wir wissen deshalb nicht, ob Turnabschluss-Marker miteinander interagieren, welche Turnabschluss-Merkmale tatsächlich einen Einfluss auf die Präzision der Turn-Übergabe haben, wie groß der Effekt ist und unter welchen Bedingungen er sich zeigt. Das vorliegende Forschungsprojekt will diese Lücke füllen. Es verfolgt einen exhaustiven Ansatz: nicht nur einzelne, isolierte Merkmale, sondern das gesamte Repertoire an Turnabschluss-Merkmalen wird in den Blick genommen. Es zielt darauf herauszufinden, welche Merkmale in der Konversation tatsächlich verwendet und unter welchen Bedingungen sie verwendet werden, wie sie miteinander interagieren und welchen Effekt sie für die zeitliche Präzision der Turn-Übergabe haben. Als Datengrundlage dient das englischsprachige Freiburg Multimodal Interaction Corpus. Dieses Korpus ist, unterstützt von der DFG (Projektnummer 414153266; cf. https://gepris.dfg.de/gepris/projekt/414153266), dezidiert multimodal: bei Fertigstellung im Herbst 2022 wird es über 70 Std. Audio-, Video- und Eyetracking-Aufzeichnungen sowie vollständige Transkriptionen in konversationsanalytischer Form umfassen. Die Auswertung erfolgt mit multifaktoriellen statistischen Methoden. Der exhaustive Ansatz legt auch eine Kollaboration von Forscherinnen und Forschern mit unterschiedlichen Expertise-Schwerpunkten nahe, nämlich Peter Auer (Interaktionale Linguistik, Schwerpunkt Blick-Forschung), Christoph Rühlemann (Interaktionale Korpuslinguistik, Schwerpunkt Storytelling), Marion Schulte (Phonetik, Schwerpunkt Soziophonetik), Stefan Th. Gries (Korpuslinguistik, Schwerpunkt statistischer Modellierung) sowie Judith Holler als eng integrierte Mercator Fellow (Psycholinguistik und Interaktionale Linguistik, Schwerpunkt Gesten-Forschung). Der exhaustive Ansatz, die innovative Datengrundlage sowie die enge Experten-Kollaboration versprechen einen substanziellen Erkenntnisgewinn im Verständnis des precision timing der menschlichen multimodalen Kommunikation.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen