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Reformverlierer im römischen Umfeld zur Zeit des Reformpapsttums

Antragsteller Dr. Francesco Massetti
Fachliche Zuordnung Mittelalterliche Geschichte
Förderung Förderung seit 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 498307613
 
Der Übergang von einer kollegial organisierten „Bischofskirche“ zu einer zunehmend hierarchisch strukturierten und auf Rom zentrierten „Papstkirche“, der in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts die gesamte lateinische christianitas tiefgreifend veränderte, hatte auch auf die römische Kirche in ihrer lokalen Dimension schwerwiegende Auswirkungen. Die politisch-militärischen und kirchenpolitischen Auseinandersetzungen, die zur Durchsetzung des Reformpapsttums in der ewigen Stadt führten, sind jedoch fast ausschließlich aus der päpstlichen Perspektive erforscht worden, während die Akteure, die in diesen Konflikten unterlagen, in der Forschung nur geringe Beachtung gefunden haben. Um diese erhebliche Lücke zu füllen, wird sich daher die hier beantragte Untersuchung auf die Verlierer in stadtrömischen sowie kurialen Auseinandersetzungen vom Anfang des Reformpapsttums (1046) bis zur Auflösung des wibertinischen Schismas (1101) fokussieren.In erster Linie verlor der römische Adel im Zuge dieses Umbruchs die Verfügungsgewalt über die Papsterhebung und viele römische Kleriker fielen der päpstlichen Bekämpfung der Simonie zum Opfer. In einer späteren Phase trieb jedoch die hierokratische Radikalisierung der Kirchenreform unter Gregor VII. auch reformorientierte Kardinäle in das Lager der Gegner des Reformpapsttums. Diese schismatischen Kardinäle, die den Gegenpapst Clemens (III.) unterstützten, haben ein Korpus von Streitschriften hinterlassen, welche aufschlussreiche Einblicke in ihre kirchenpolitischen und ekklesiologischen Auffassungen vermitteln. Nach wechselndem Kampfesglück schlossen sie sich im Jahr 1101 der „Schar der Verlierer“ an, als der letzte von ihnen gewählte Gegenpapst öffentlich abgesetzt und gedemütigt wurde. Die Untersuchung soll verdeutlichen, dass auch Hauptprotagonisten der Kirchenreform Niederlagen erfahren mussten: Humbert von Moyenmoutier und Petrus Damiani wurden zwar zu Hauptfiguren der Kurie, sie konnten jedoch im römischen Milieu nur zum Teil ihre Reformanliegen durchsetzen.Neben der sorgfältigen Rekonstruktion der Ursachen und des Ablaufs der Konflikte soll auch die Herausarbeitung der gegensätzlichen Legitimierungs- und Delegitimierungsstrategien im Mittelpunkt stehen, mit besonderem Blick auf die rhetorischen Konstruktionen der gregorianischen Propaganda. Wesentliche Instrumente für die Dekonstruktion der parteiischen Darstellungen der Reformverlierer bietet die „Theorie des Verlierertums“ von Sabine Graul und Marian Nebelin, welche die Reflexion von Walter Benjamin über die „Besiegten“ systematisiert und weiterentwickelt hat. Auf dieser Grundlage soll die Untersuchung verdeutlichen, dass nicht alle Reformverlierer als Widersacher einer moralischen Reform der christianitas zu betrachten sind, da einige von ihnen eher andere Reformanliegen vertraten, die zum Teil von den gregorianischen Auffassungen abwichen.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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