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Das Recht der öffentlichen Gesundheit – Krankheitsprävention und Gesundheitsförderung als Aufgaben des Staates
Antragstellerin
Professorin Dr. Andrea Kießling
Fachliche Zuordnung
Öffentliches Recht
Förderung
Förderung von 2022 bis 2024
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 499374326
Die Arbeit hat ihren Ausgangspunkt nicht in einem theoretisch-dogmatischen, sondern in einem sozialen Problem: Sie geht von den Bedingungsfaktoren für Gesundheit und Krankheit aus und fragt, inwiefern der Staat auf diese Faktoren einwirken muss bzw. darf, um die Gesundheit der Bevölkerung zu schützen und zu fördern. Der Begriff „öffentliche Gesundheit“ lehnt sich an den englischen Begriff „Public Health“ an. Untersucht werden in der Arbeit hiervon ausgehend die staatlichen, bevölkerungsbezogenen Interventionen der Krankheitsprävention und Gesundheitsförderung. Als „bevölkerungsbezogen“ werden solche Rechtsnormen definiert, die einen entindividualisierten Ansatz verfolgen: Sie schützen entweder die Gesundheit unbestimmter Dritter oder setzen nicht voraus, dass ein individueller Bedarf oder eine individuelle Gefährdung vorliegt. Aus diesem Grund beschäftigt sich die Arbeit nicht mit individuellen Ansprüchen auf Gesundheitsleistungen, sondern mit der Regulierung von Gesundheitsrisiken, die sich aus Verhaltensfaktoren (dem Lebensstil) und Verhältnisfaktoren (sozioökonomischer Status, hygienische Bedingungen, Sozialisation innerhalb der Familie) ergeben und auf den Gesundheitsstatus der Bevölkerung einwirken. Krankheitsprävention und Gesundheitsförderung werden dabei dem Risikovorsorgeansatz zugerechnet. Im verfassungsrechtlichen Teil der Arbeit wird ausführlich dargestellt, welche Rahmenbedingungen sich für die staatliche Krankheitsprävention und Gesundheitsförderung aus der Verfassung ergeben: Aus der grundrechtlichen Schutzpflicht – gestützt auf Art. 2 II 1 GG und Art. 2 I iVm Art. 1 I GG – ergibt sich die Pflicht des Staates, die Bevölkerung bereits im Risikostadium vor externen Einflüssen zu schützen, die sich negativ auf Gesundheit und Persönlichkeitsentwicklung auswirken können. Aus einer Untersuchung der Bedeutung des Sozialstaatsprinzips wird abgeleitet, dass sich aus diesem Prinzip iVm Art. 2 II 1 GG und iVm Art. 2 I iVm Art. 1 I GG eine Pflicht zur sozialen Risikovorsorge ergibt. Der Staat ist hierüber sowohl verpflichtet, die Bedingungen der Autonomie- und Teilhabevoraussetzung Gesundheit bereitzustellen als auch die Autonomie und Teilhabe direkt zu fördern. Auf diese Weise geraten auch die sozialen Faktoren, die auf die Autonomie des Einzelnen einwirken, in den staatlichen Blick. Im letzten Teil der Arbeit werden drei „Referenzgesundheitsrisiken“ in den Blick genommen: 1. neu auftretende, von Mensch zu Mensch übertragbare Krankheitserreger (wie SARS-CoV-2), 2. Lebensstilrisiken wie Tabakkonsum und eine ungesunde Ernährung und 3. die familiäre Gesundheitssozialisation. Hier werden unter Berücksichtigung der Ergebnisse der verfassungsrechtlichen Untersuchung besondere strukturelle Herausforderungen, die bei der Regulierung des jeweiligen Risikos auftreten, näher analysiert.
DFG-Verfahren
Publikationsbeihilfen