Detailseite
Projekt Druckansicht

Ziméo und Oroonoko in der transatlantischen Welt. Literarische Übersetzungen und Adaptionen im Kontext von Kolonialismus und Versklavung (1688-1809)

Fachliche Zuordnung Germanistische Literatur- und Kulturwissenschaften (Neuere deutsche Literatur)
Förderung Förderung seit 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 505215980
 
Das gesamte 18. Jahrhundert über entstehen in den europäischen Literaturen Übersetzungen und Adaptionen zu dem Roman Oroonoko (1688) von Aphra Behn und der Erzählung Ziméo (1769) von Jean-François Saint-Lambert, wobei Behns Roman in der Forschung als zentrale Vorlage für die Ziméo-Erzählung gilt. Neben Adaptionen in der englischen und französischen Literatur finden sich Übersetzungen in der spanischen, niederländischen, polnischen, russischen und knapp dreißig in der deutschen Literatur. Beide Texte erzählen die Geschichte eines fiktiven schwarzen Widerstandskämpfers. Kolonialismus, transatlantischer Sklavenhandel und das Sklavenplantagensystem des 17. und 18. Jahrhunderts in der Karibik bilden den historischen Kontext, der durch Paratexte und textinterne Referenzen präsent ist. Innovativ sind die Oroonoko- und Ziméo-Figur, weil sie nicht als ‚edle Wilde‘ exotisiert, sondern als politische Akteure etabliert und den europäischen Figuren in Bildung und Moral ebenbürtig dargestellt werden. Erreicht wird dies, indem die westafrikanische Herkunftsgeschichte erzählt und die Figuren als eloquente Redner inszeniert werden. Effekt ist zugleich, dass vor allem die Ziméo-Figur als kulturell different erscheint, wie sich in einer übersetzungstheoretisch geleiteten Analyse zeigen lässt. Die Bedeutung der Texte ist in der englischsprachigen und romanistischen Forschung seit längerem bekannt. Zum deutschsprachigen Textkorpus, das vor allem durch populäre Autor:innen bestimmt wird, liegt bisher keine übergreifende Studie vor. Eine komparatistische Betrachtung des transnationalen Textkorpus ist ebenfalls ein Forschungsdesiderat, genauso wie ein übersetzungstheoretischer Ansatz. Ziel des Projekts ist es, im Rekurs auf aktuelle und historische Übersetzungstheorien die Darstellung der politischen Agency schwarzer Figuren, die Reflexion des Wissens um die ‚Welt‘ sowie auch die Strategien der europäischen Selbstverortung in den deutschen Übersetzungen und Adaptionen vor allem unter Berücksichtigung der englischen und französischen Varianten zu analysieren. Gezeigt werden soll, wie der transatlantische Raum als ein globaler Kommunikations- und Handlungsraum entworfen und wie die deutsche Teilhabe darin reflektiert wird. Die Übersetzungen werden in ihrer interlingualen und intermedialen Dimension und mit Blick auf ihre historischen und kulturellen Transferleistungen betrachtet. Untersucht wird, welche Strategien die Texte finden, um kulturelle und religiöse Diversität in europäische Darstellungsverfahren und Wissensformationen zu übersetzen, und wie differenzsensibel oder eurozentristisch bzw. rassistisch sie dabei verfahren. In übergeordneter Perspektive untersucht das Projekt das ästhetische und politische Innovationspotenzial populärer Literatur in der Verarbeitung von Zeitgeschichte als Globalgeschichte, und es reflektiert, wie sich das Textkorpus aufgrund seiner Darstellungsstrategien zu gängigen literatur- und kulturgeschichtlichen Periodisierungen verhält.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung