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Freie und gebundene Variation in der Grammatik. Diachronie und Diatopik der Auxiliarvariation im Deutschen

Fachliche Zuordnung Angewandte Sprachwissenschaften, Computerlinguistik
Einzelsprachwissenschaften, Historische Linguistik
Förderung Förderung seit 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 509137817
 
Die Variation der Perfekthilfsverben haben und sein ist sowohl in der deutschen Gegenwartssprache als auch in der Sprachgeschichte größer, als in der Forschung bislang angenommen. Neben bekannten Fällen wie der haben/sein-Variation bei Positionsverben wie sitzen, stehen, liegen, die regional konditioniert sind, werden andere Fälle bislang kaum zur Kenntnis genommen (z.B. hat/ist einen Weg eingeschlagen, hat/ist etwas angegangen, hat/ist getourt). In der deutschen Sprachgeschichte ist dieser Variationstyp noch deutlich ausgeprägter, wie u.a. unsere Pilotstudie zu diesem Antrag zeigt; nicht selten variieren sogar einzelne Schreiber/innen in ihrem Auxiliargebrauch. Dabei ist nur ein Teil der beobachteten Varianz durch sprachinterne oder -externe Faktoren erklärbar. In einem beträchtlichen Teil der Daten scheint das Auxiliar ungebunden zu variieren, was auf einer theoretischen Ebene die Frage aufwirft, ob wir es mit einem Fall freier Variation, d.h. der Koexistenz zweier funktionsgleicher Varianten, zu tun haben, wie sich die Varianz diachron wandelt, und wie Diachronie und Diatopik bei der Entstehung und Entwicklung dieser Varianten zusammenwirken.Um diese Fragen zu beantworten, strebt das Projekt erstmals eine breit angelegte, systematische Studie zur Erschließung dieses Variationstyps an. Ziel ist es, die Perfekthilfsverbvariation in historischen Sprachstufen des Deutschen vom Mittelhochdeutschen bzw. Mittelniederdeutschen zum frühen Neuhochdeutschen und in ihrer Arealität umfassend zu beschreiben und mögliche Einflussfaktoren auf die Hilfsverbwahl zu bestimmen. Hierzu sind zwei verzahnte Teilprojekte an den Standorten Duisburg-Essen und Passau geplant. Es wird eine gemeinsame, standortübergreifende Datenbank mit Perfektbelegen aufgebaut und ausgewertet. Die Befunde, die sich aus diesen Auswertungen ergeben, werden jeweils unter diachronen und diatopischen Gesichtspunkten in gemeinsamen Veröffentlichungen zusammengeführt.Um Einflussfaktoren auf die Hilfsverbwahl zu analysieren, werden die Korpusdaten u.a. nach semantisch-syntaktischen Merkmalen wie Telizität, Aspektualität, semantischer Verb-klasse und Transitivitätsgrad annotiert. Ein Teilziel besteht darin, erstmals zuverlässige Kriterien der Operationalisierung dieser Merkmale zu erarbeiten und diese auf Grundlage von Sprachdaten zu evaluieren. So soll ein Annotationsleitfaden für zukünftige empirische Studien zu verbalen Konstruktionen entstehen.Auf einer theoretisch-abstrakten Ebene ist ein Erkenntnisgewinn über die allgemeine Beziehung von Variation in Diachronie und Diatopik wie auch über die Existenz von freier Variation im Sprachsystem zu erwarten. Damit leistet das Vorhaben einen wichtigen Beitrag zu einer empirisch fundierten Sprachwandel- und Sprachvariationsforschung.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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