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Problemlöseprozesse in virtuellen Gruppen: Die Auswirkungen computermediierter Kommunikation auf Quantität und Qualität der Ideenproduktion

Fachliche Zuordnung Entwicklungspsychologie und Pädagogische Psychologie
Förderung Förderung von 1998 bis 2008
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5100726
 
Erstellungsjahr 2008

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die Ausgangsfrage des Forschungsprojekts ergab sich aus den Forschungsergebnissen von Diehl und Stroebe (1987, 1991) zum Brainstorming in Face-to-Face Gruppen. Dort konnte gezeigt werden, dass entgegen der weitverbreiteten Annahme Gruppenbrainstorming dem Einzelbrainstorming in der Quantität und Qualität der Ideenproduktion unterlegen ist. Grund dafür ist die bei mündlicher Kommunikation in Face-to-Face Gruppen notwendigerweise auftretende wechselseitige Produktionsblockierung (die Ideenproduktion anderer unterbricht die für die eigene Ideenproduktion notwendigen kognitiven Prozesse). Um Bedingungen zu schaffen, die als leistungsabträglich erkannte Produktionsblockierung zu verhindern, aber die als leistungsförderlich vermutete kognitive Stimulierung durch die Ideen anderer zu erhalten, wurden Methoden des computerunterstützten Brainstormings entwickelt. Dieses „elektronische Brainstorming" in virtuellen Gruppen ermöglicht es den Gruppenmitgründern parallel, d.h. ohne wechselseitige Produktionsblockierung über die Tastatur eines PC Ideen in eine zentrale Datenbank einzugeben. Diese Ideen werden dann je nach System programmgesteuert oder nutzergesteuert für die wechselseitige kognitive Stimulation verwendet. Unser Projekt sollte die Frage klären, ob bei solchen virtuellen Gruppen die bei Face-to-Face Gruppen auftretenden Prozessverluste vermieden werden können und sich darüber hinaus die aufgrund wechselseitiger kognitiver Stimulation zu erwartenden Synergieeffekte einstellen. Wir orientierten uns in Anlehnung an Diehl (1991) theoretisch an rezenten kognitionspsychologischen Modellen des Gedächtnisses im Sinne assoziativer Netzwerkstrukturen und gingen daher davon aus, dass der Ideenproduktion semantische Reproduktionsprozesse zu Grunde liegen. Die kognitionspsychologische Forschung (z.B. Meudel, Hitch & Boyle, 1995) zeigt, dass wechselseitige kognitive Stimulierung (cross cueing) die Gedächtnisleistung verschlechtert. Eine erfolgreiche Anregung, d.h. die Erschließung ganzer Suchbereiche, die ansonsten vergessen worden wären, ist nur auf der kategorialen Ebene nicht aber durch einzelne Items möglich. In insgesamt 10 experimentellen Untersuchungen (5 in der ersten und 5 in der zweiten Projektphase) wurden die Bedingungen überprüft, unter denen die Ideenproduktion in virtuellen Gruppen optimiert werden kann. Darüber hinaus wurde der Fragestellung in 5 Diplomarbeiten und 2 Dissertationen nachgegangen. Die ersten fünf Experimente unterstützten unsere Überlegungen zur Analogie zwischen semantischer Reproduktion und kreativer Produktion. Nur ein möglichst störungsfreier, d.h. den Ordnungsprinzipien der individuellen Wissensstrukturen entsprechender Gedächtnisabruf führt zu einer hohen quantitativen und qualitativen kreativen Leistung. Wechselseitige kognitive Stimulierung führt zu Störungen und Unterbrechungen der der Ideenproduktion zugrunde liegenden Gedächtnisprozesse und sind daher leistungsabträglich. Dagegen verhindert eine einseitige geordnete Stimulierung nicht nur solche Störungen und Unterbrechungen, sondern kann sogar zu einer erhöhten Ordnung und damit auch zu einer erhöhten Kreativität führen, wie unsere Experimente belegen. Fasst man die Befunde der Experimente der zweiten Phase zusammen, kommt man zu dem Schluss, dass eine erfolgreiche kognitive Stimulierung dann möglich ist, wenn die Stimulusideen einem eigens konstruierten Ideenpool entstammen, der die verschiedenen Suchbereiche einer Problemstellung abdeckt. Die Präsentation der Stimulusideen muss in einer Weise erfolgen, welche die individuellen Abruf Strategie n möglichst wenig stört, so dass eine gute Ausschöpfung der Suchbereiche möglich ist. Wir fanden allerdings auch unter Berücksichtigung dieser Erkenntnisse keine empirischen Belege, dass durch die Online- Stimulierung mit den Ideen anderer Gruppenmitglieder eigene Suchbereiche besser zugänglich gemacht werden könnten als es ohne diese „Hilfestellung" möglich wäre. Beim Brainstorming in virtuellen Gruppen wurde die kreative Leistung durch kognitive Stimulierung sogar beeinträchtigt. Damit sind die Voraussetzungen für die, ursprünglich als Ziel des Forschungsvorhabens formulierte, Konstruktion eines „group support system" zur Förderung der kreativen Leistung in virtuellen Brainstorminggruppen nicht gegeben.

 
 

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