Detailseite
Projekt Druckansicht

Molekulardynamische Modellierung und Validierung der Herstellung und der Struktur-Eigenschafts-Korrelationen von SiC/SiN-Nanolaminaten

Fachliche Zuordnung Materialwissenschaft
Förderung Förderung von 2007 bis 2011
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 51053141
 
Erstellungsjahr 2011

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Ziel des vom Institut für Materialprüfung, Werkstoffkunde und Festigkeitslehre (IMWF) der Universität Stuttgart und dem Institut für Angewandte Materialien - Angewandte Werkstoffphysik (IAM-AWP) des Karlsruher Instituts für Technologie durchgeführten Projektes war eine Optimierung von SiC/SiN-Viellagenschichten und die Validierung ihrer Struktur-Eigenschafts-Korrelationen durch enge Verzahnung von experimentellen Verfahren mit hoher Orts- und Tiefenauslösung und computergestützten Simulationsmethoden. Die Aufgaben des IAM-AWP lagen vor allem im Bereich der experimentellen Abscheidung der Schichten durch Hochfrequenz-Magnetronzerstäubung (HF-Magnetronsputtern), der Bestimmung der Prozess- und Plasmaparameter als Eingangsdaten für die Simulationsrechnungen sowie der Struktur und Eigenschaftsbestimmung der Schichten von der Mikro- bis zur Nanometerskala. Das IMWF befasste sich vor allem mit der molekulardynamischen Simulation des Zerstäubungs- und Abscheidungsprozesses und der Vorhersage von Struktur und Eigenschaften der Schichten. Zur Herstellung verbesserter Beschichtungen wurden Modellrechnungen unter Einbeziehung von Werkstoffgradienten im Bereich der Grenzflächen vorgenommen und anhand der Experimente validiert. Mit Hilfe der im Projekt für die Softwarepakete Materials Explorer (Fujitsu Ltd.) und IMD (Universität Stuttgart) entwickelten Molekulardynamik-Methoden gelang im niederenergetischen Bereich von 20 eV-1000 eV erstmals eine systematische Untersuchung der Zerstäubungsmechanismen (Sputtern) von Si, β-SiC sowie α- und β-Si3N4 durch Argonionen. Dabei wurden durch eine Kombination von Tersoff-Potenzial und Ziegler-Biersack-Littmark (ZBL)-Potenzial im Gegensatz zu bisherigen Arbeiten eine gute Übereinstimmung der aus den Simulationen bestimmten Sputterausbeute mit den experimentellen Werten aus der Literatur und eigenen Messungen durch Ionenätzen in einem Ar-Mikrowellenplasma und Bestimmung der Ätztiefe erzielt. Zudem wurden die Zerstäubungs-Schwellenenergien der Materialien ermittelt und es konnte gezeigt werden, wie wichtig im Energiebereich nahe der Sputterschwelle der Single-Knock on-Effekt ist. Bei einer Beschichtungsrate von 0,1 Atom/ps, einer Substrattemperatur von 1000 K und einer Ionenenergie von 3 eV konnten in den IMD-Simulationen erstmals kristallin geordnete SiC- und SiN-Schichten auf einem Si-Substrat abgeschieden werden. Der Einfluss der Beschichtungsenergie ähnelt dem der Substrattemperatur, in beiden Fällen steigt die mittlere kinetische Energie innerhalb der Schicht, was zu leichterem Überwinden der Potentialbarrieren führt und die Ausbildung geordneter Strukturen begünstigt. Für SiC-Schichten konnten nach der Modifizierung der Hybrid-Sputteranlage auch im Experiment geeignete Prozessparameter ermittelt werden, die die nichtreaktive Abscheidung nanokristalliner β-SiC-Schichten erlaubten. Ihre Dichte lag mit 3,2 g/cm^3 im Bereich des kristallinen Kompaktmaterials, was sich durch die niedrige Aufwachsrate und eine hohes Verhältnis der Ionen zu schichtbildenden Teilchen erklären ließ. Härte und reduzierter E-Modul zeigten einen Anstieg mit steigender Substrattemperatur von 23 GPa bzw. 210 GPa bei Raumtemperatur auf 33 GPa bzw. 340 GPa bei 900 °C. Die Si3N4-x-Schichten waren auch bei der höchsten möglichen Substrattemperatur von 900 °C röntgenamorph, unabhängig davon, ob mit niedriger oder hoher Substratvorspannung und ob in reiner Ar-, in reiner N2- oder in Ar/N2-Atmosphäre abgeschieden wurde. Es wurden maximale Werte für die Härte und den reduzierten E-Modul von 26,5 GPa bzw. 340 GPa erreicht. Durch Nanoindentationsimulation mit konstantem Kraftinkrement wurde erstmalig für Systemgrößen von bis zu 4 Millionen Atomen ein systematischer Vergleich der Härten von Si, β-SiC und α-Si3N4 unter Verwendung des Tersoffpotenzials durchgeführt. Qualitativ stimmten die Simulationsergebnisse gut mit den experimentellen Kraft-Eindringtiefekurven für die drei Materialien überein. Im Anschluss auf die Abscheidung stöchiometrischer Schichten wurde die Abscheidung von Gradientenschichten simuliert und die Verteilung von Eigenspannungen gemessen. Es konnte nachgewiesen werden, dass eine Gradierung der Konzentration von Kohlenstoff in SiC- und Stickstoff in SiN-Schichten über die Schichtdicke zu einer Reduktion der Eigenspannungen führt, da die Grenzfläche zu einem Grenzvolumen unterschiedlicher Dicke übergeht. Auf experimenteller Seite wurde die Härte von SiC/SiN-Doppellagenschichten mit modifizierten Grenzflächen mittels des SACS-Verfahrens tiefenaufgelöst untersucht. Durch den Vergleich der Härtetiefenprofile ließ sich im modifizierten Bereich erstmals deutlich die Zunahme der Härte durch den zusätzlichen Ionenbeschuss infolge der angelegten Substratvorspannung nachweisen. Im Anschluss an die Simulationen wurden SiC/SiN-Doppellagenschichten mit chemischer Gradierung hergestellt. Diese Schicht zeigte die höchste kritische Last, was die in den Simulationen vorhergesagte günstigere Eigenspannungsverteilung durch eine chemische Gradierung mittels Variation der Gaszusammensetzung bestätigte. Der erzielte Durchbruch bei der MD-Simulation der Abscheidung kristalliner SiC- und SiN-Schichten und bei der Simulation des Nanoindentation eröffnet für ein Folgeprojekt ganz neue Möglichkeiten im Hinblick auf die Untersuchung der Aspekte von Epitaxie und Nanostabiliisierung. Zum Beispiel könnte man untersuchen, unter welchen Bedingungen sich im Experiment und in der MD-Simulation epitaktische α-SiC-Schichten auf hexagonalem 6H-SiC-Substraten aufwachsen lassen. Ebenso wäre es eine große Herausforderung, den Effekt der Nanostabilisierung durch Kopplung von MD-Simulationen und Experimenten genauer zu studieren. Darunter versteht man die Stabilisierung einer Viellagenkomponente in der Struktur einer anderen Viellagenkomponente durch heteroepitaktisches Wachstum an den Grenzflächen im Nanometerbereich. Dieser Effekt ist bisher weder vollständig verstanden, noch ist klar, bis auf welche Einzellagendicken bzw. Periodizitäten er sich ausdehnen lässt. Experimentell wurde er bisher nur bei sehr kleinen Periodizitäten λ von 2-5 nm nachgewiesen. Die entwickelten Schichten im System Si-C-N eignen sich für eine Vielzahl von Anwendungen, wie z.B. für elektronische und optoelektronische Geräte, die in stark korrosiven Atmosphären arbeiten, Röntgenmasken, Schutzschichten für Fusionsreaktoren und insbesondere Verschleißschutzschichten für Zerspanwerkzeuge. Eine erfolgreiche Anwendung auf Zerspanwerkzeuge beträfe dann zusätzlich die Branchen Maschinen- und Anlagenbau, den Fahrzeugbau, die Metallerzeugung sowie die Metallverarbeitung, da es sich um ein Produkt aus dem Kernbereich der deutschen Wirtschaft, dem Maschinenbau, handelt. Innovative Technologien, die sich hier durchsetzen, können sich mit einer wirtschaftlichen Hebelwirkung auch in anderen Branchen etablieren. Das gezeigte Konzept kann prinzipiell auch auf andere Materialsysteme zur Beschichtung übertragen werden, um neue Lösungswege zu entwickeln und zu erproben. So könnten andere Branchen, wie die Luft- und Raumfahrttechnik (z.B. Satellitenbau), die Medizintechnik (z.B. Prothetik) und die Energietechnik (z.B. Getriebebau für Windenergienutzung, größere und leichtere Rotoren aus hochfesten Materialien) von der Übertragung neuartiger maßgeschneiderter Beschichtungen profitieren. Multiskalige Dünnschichtsysteme, insbesondere Viellagenschichten, bieten hier einen vielversprechenden Lösungsansatz, da durch das alternierende Abscheiden zweier unterschiedlicher Materialien ein völlig neues Eigenschaftsprofil eingestellt werden kann, das sich wiederum sowohl durch die Anzahl der Grenzflächen als auch durch ein Grenzflächendesign maßgeblich beeinflussen lässt. Die im Projekt entwickelten simulationstechnischen und experimentellen Methoden sind nicht auf ein bestimmtes Materialsystem beschränkt, sondern lassen sich auf verschiedenste Materialien und physikalische Abscheidungsprozesse anwenden. Dies zeigt sich insbesondere daran, dass von den Partnern kürzlich ein neues Projekt mit dem Titel „Molekulardynamische Modellierung und Validierung der Herstellung und der Struktur-Eigenschafts-Korrelationen von speziellen Schichtmaterialien in den Systemen B-N-Si und B-N-O“ konzipiert wurde, in dem mit Hilfe der Methoden zur Simulation der Zerstäubung und des Schichtwachtums sowie der Berücksichtigung von Werkstoffgradienten Bornitrid-basierte Schichtmaterialien, die ein hohes Anwendungspotential im abrasiven Verschleißschutz aufweisen, optimiert werden sollen. In ähnlicher Weise ist eine Übertragung auf den Bereich der Entwicklung von Dünnschichtmaterialien für energietechnische Anwendungen wie z.B. Li-Ionenbatterien denkbar. Des Weiteren wäre es sinnvoll, die erzielten Ergebnisse in einem mehr anwendungsbezogenen Projekt, wie z.B. einen AiF-Projekt oder einem direkt von einem Industriepartner geförderten Projekt, direkt in eine Anwendung umzusetzen und in ihrer Tragfähigkeit praxisnah zu überprüfen. Durch die im Projekt angewendete Kombination aus vorgeschalteten molekulardynamischen Simulationen und experimenteller Validierung konnte die Möglichkeit zur gezielten Optimierung der Grenzflächen von gesputterten SiC/SiN-Viellagenschichten zum Maßschneidern der mechanischen, tribologischen, physikalischen oder chemischen Eigenschaften - je nach dem von der Anwendung vorgegebenen Anforderungsprofil eröffnet werden. Der Ansatz dieser engen Verzahnung wird in Zukunft unmittelbar für Ingenieurswissenschaften, Chemie, Physik, Medizin und Biologie immer mehr an Bedeutung gewinnen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Molecular dynamics simulations of the sputtering of beta-SiC by Ar, Congress on Materials Science and Engineering (MSE 2008), Nürnberg, 01.-04.09.2008
    A. Prskalo, C. Kohler, S. Schmauder, C. Ziebert, J. Ye, S. Ulrich
  • Sputter deposition of nanocrystalline β-SiC films and molecular dynamics simulations of the sputter process, 3rd Internat. Conf. on Surfaces, Coatings and Nanostructured Materials (NanoSMat2008), Barcelona, Spanien, 21.-24.10.2008
    C. Ziebert, J. Ye, S. Ulrich, A. Prskalo, S. Schmauder
  • Sputter deposition of single layer Si-C-N films: molecular dynamics simulation and experimental validation of structure-property-correlations, 19th European Conference on Diamond, Diamond-Like Materials, Carbon Nanotubes, and Nitrides (DIAMOND 2008), Sitges, Spanien, 07.-11.09.2008
    C. Ziebert, J. Ye, S. Ulrich, A. Prskalo, C. Kohler, S. Schmauder
  • Molecular dynamics simulations of SiC and Si3N4, European Materials Research Society Spring Meeting (E-MRS 2009), Strasbourg, Frankreich, 08.06.-12.06.2009
    A. Prskalo, S. Schmauder, C. Ziebert, J. Ye, S. Ulrich
  • Molecular dynamics simulations of the sputter deposition process of silicon carbide on silicon and comparison with experiments, 12th International Conference on Plasma Surface Engineering (AEPSE 2009), Busan, Südkorea, 21.09.-25.09.2009
    A. Prskalo, S. Schmauder, C. Ziebert, J. Ye, S. Ulrich
  • Molecular dynamics simulations of the sputtering process of silicon and the homoepitaxial growth of a Si coating on silicon, 19th International Workshop on Computational Mechanics of Materials (IWCMM 19), Constanta, 01.09.-04.06.2009
    A. Prskalo, S. Schmauder, C. Ziebert, J. Ye, S. Ulrich
  • 2010, Molecular dynamics simulations of SiC and Si3N4, Surf. Coat. Technol. 204 2081
    A.-P. Prskalo, S. Schmauder, C. Ziebert, J. Ye, S. Ulrich
  • 2010, Sputter deposition of nanocrystalline β-SiC films and molecular dynamics simulations of the sputter process, J. Nanosci. Nanotechnol. 10 1120
    C. Ziebert, J. Ye, S. Ulrich, A. Prskalo, S. Schmauder
  • 2011, Molecular dynamics of the sputtering processes of silicon and the homoepitaxial coating of silicon”, Comp. Mat. Sci. 50 1320
    A. Prskalo, S. Schmauder, C. Ziebert, J. Ye, S. Ulrich
 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung