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Technologischer Stand und wirtschaftliche Bedeutung des alamannischen Textilhandwerks sowie die soziologische Bedeutung von alamannischen Textilien

Fachliche Zuordnung Ur- und Frühgeschichte (weltweit)
Förderung Förderung von 1999 bis 2007
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 5126536
 
Erstellungsjahr 2007

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die Verwendung des Trittwebstuhls, mit seinen wirtschaftlichen Vorteilen gegenüber dem Gewichtswebstuhl, kann für das Frühmittelalter in Europa weitgehend ausgeschlossen werden. Bei den Untersuchungen an frühmittelalterlichen Geweben wurde deutlich, dass die verwendeten Herstellungstechniken stark traditionell gebunden waren. Dabei zeigte sich, dass die Gewebeherstellung in Mitteleuropa eine herstellungstechnische Entwicklung aufweist, die sich von der aus den mediteranen Ländern unterscheidet. Die Weberei in Mitteleuropa wird maßgeblich von den Kettenstoffverfahren geprägt, die bereits im Neolithikum von herausragender Bedeutung waren. Neben den Grundgeweben und ihren Ableitungen, die den wesentlichen Bestand unter den ur- und frühgeschichtlichen Geweben ausmachen, erfolgte die Bildung von komplexeren Gewebebindungen mit Hilfe zusammengesetzter Bindungen. Dabei wurde ein Webverfahren und ein Kettenstoffverfahren (Soumak, Broschierung) so miteinander kombiniert, daß sie nicht gemeinsam an der Stoffbildung beteiligt waren, sondern ein Musterfaden, während des Webvorgangs (Grundgewebe/Brettchengewebe) zusätzlich eingebracht wurde. Für diese Art der Stoffherstellung reichten einfache Webvorrichtungen aus. In den oströmische Provinzen und den angrenzenden Hochkulturen bestehen die komplexeren Gewebe ebenfalls aus zusammengesetzen Bindungen. Hier wurden jedoch zwei Webverfahren komplementär miteinander verbunden, d.h. alle Kett- und Schussfäden waren gemeinsam an der Stoffbildung beteiligt. Die Weiterentwicklung der Webstuhltechnologie ist dabei von herausragender Bedeutung. Als eine wesentliche Motivation kann der erhöhte Bedarf an Luxusgeweben genannt werden. Inwieweit in Mitteleuropa ein Bedarf an Luxusgeweben bestand, kann beim derzeitigen Forschungsschwerpunkt schwer eingeschätzt werden. Die vorhandenen Herstellungstechniken erlaubten zwar die Anfertigung derartiger Gewebe; als Stückware war ihre Produktionsmenge jedoch beschränkt. Maßgeblich für die frühmittelalterliche Textilproduktion war jedoch, dass eine Übernahme von webstuhltechnologischen Neuerungen aus dem mediteranen Raum, nicht zwangsläufig angestrebt wurde, da die eigenen herstellungstechnischen Traditionen im Vordergrund standen. In diesem Kontext ist ein Import größerer Stoffmengen nur schwer vorstellbar. Die Stoffe werden eher im Austausch gegen Waren oder als Gastgeschenke weitergereicht worden sein. Fragen zur „Wirtschaftlichkeit“ des Textilhandwerks, bzw. Diskussionen über den Export von Stoffen bekommen eine anderen Hintergrund, wenn davon ausgegangen werden muß, daß vorhandene Herstellungstradionen maßgeblich bei der Herstellung der Stoffe waren. Neben der Herstellungstechnik wurden noch zwei weitere Komponenten herausgestellt, die bei der Herstellung der Stoffe entscheidend waren: die Strukturmerkmale und die optische Ebene der Stoffe, d.h. ihr Aussehen. Die Strukturmerkmale sind teilweise durch die Herstellungstechnik bedingt und können maßgeblich für das Aussehen der Gewebe sein. Die kommunikative Funktion von Textilien, d.h. als Ausdrucksmittel im sozialen Gefüge einer Volksgruppe oder im Austausch mit anderen Kulturen, wird vorrangig durch das Aussehen d.h. die optischen Ebene bestimmt. Bei den Alamannen, vermutlich auch bei anderen frühmittelalterlichen Kulturgemeinschaften in Mitteleuropa, wurden neue, kulturübergreifende Muster bei Textilien mit großer Bereitschaft aufgegriffen. Die Umsetzung erfolgt jedoch nicht in Form einer Nachbildung, sondern als gezielter Akkulturationsprozess, bei dem die traditionellen, kulturspezifischen Herstellungstechniken bzw. Traditionen eine maßgebliche Rolle spielten. Unabhängig von den erzielten Ergebnissen dieser Forschungsprojektes wurde mit dieser Arbeit deutlich gemacht, daß die Textilarchäologie verstärkt facheigene Methoden entwickeln und Grundlagenforschung betreiben muß, damit die große, bisher wenig beachtet Gruppe organischer Funde ausgewertet werde kann.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • 2000. Forschungen über alamannische Textilien. Denkmalpflege in Baden-Württemberg. Nachrichtenblatt des Landesdenkmalamtes, 29. Jahrgang 1/2000, 45-49
    Banck-Burgess, J.
  • 2000. Stichwort: Kleidung. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (HOOPS), Bd.16, Berlin, 603-614
    Banck-Burgess, J.
  • 2001. The early Alamanni: the start of a new textile project. In: P. Walton Rogers, L. Bender Jörgensen, A. Rast-Eicher (Hrsg.), The Roman Textile Industry and its Influence. A Birthday Tribute to John Peter Wild, Oxford, 113-116
    Banck-Burgess, J.
  • 2003. Ein alamannischer Kleiderstoff. In: In: L. Bender Jörgensen, J. Banck-Burgess und A. Rast-Eicher (Hrsg.), Textilien aus Archäologie und Geschichte. Festschrift für Klaus Tidow, Neumünster, 123 - 131
    Banck-Burgess, J.
  • 2005. Stichwort: Textilien. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (HOOPS), Bd.30, Berlin, 372-392
    Banck-Burgess, J.
 
 

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