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Ein neues Paradigma für die experimentelle Charakterisierung und mechanische Beschreibung der Adaptivität der glatten Muskulatur

Fachliche Zuordnung Mechanik
Förderung Förderung seit 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 514952469
 
Die Wände von Hohlorganen wie der Harnblase enthalten Gewebeschichten aus glatter Muskulatur, die die mechanische Funktion der Organe unabhängig von ihrem Füllzustand oder ihrer aktuellen Form ermöglichen. Aus mechanischer Sicht geht diese geometrieunabhängige Funktionsweise auf eine Fähigkeit der glatten Muskulatur zurück, die häufig als Muskeladaptivität bezeichnet wird und einen charakteristischen Unterschied zu klassischen Ingenieursmaterialien darstellt. Muskeladaptation findet bei Aktivierung über einem Zeitraum von über 1 h statt und beschreibt eine Maximierung der bei der aktuellen Form möglichen Kontraktionskraft zusammen mit einer Minimierung der passiven Kraft im Gewebe. Ein inzwischen etabliertes Vorgehen zur experimentellen Charakterisierung der glatten Muskulatur besteht darin, die Gewebeproben über ein Vorkonditionierungsprotokoll auf ein inelastisches Ingenieursmaterial mit reproduzierbarem Kraft-Dehnungsverhalten zu reduzieren. Dabei werden jedoch wichtige Eigenschaften ausgeblendet, die die in vivo Funktionsweise des Gewebes beeinflussen und mit der Adaptivität in Verbindung stehen. Eine Folge ist, dass die Vorhersagen entsprechend kalibrierter Modelle stark vom physiologischen Verhalten abweichen und daher kaum zu unserem Verständnis der gewebespezifischen Wirkmechanismen und Organfunktion beitragen. In diesem Projekt planen wir die Untersuchung eines neuen Paradigmas zur experimentellen Analyse von Proben der glatten Muskulatur, das nicht auf einer Vorkonditionierung beruht. Die Kernidee besteht darin, das physiologische Kraft-Dehnungsverhalten von Gewebeproben zu bestimmen, indem eine definierte Adaptationsphase inkl. Aktivierung gezielt aufgeprägt wird und deren Einfluss auf das mechanische Verhalten evaluiert wird. Dieses Vorgehen liefert, unserer Hypothese nach, nicht nur Einblicke in den stimulationsinduzierten Fortschritt der Adaptation und die damit einhergehenden Änderungen im Materialverhalten, sondern ermöglicht auch einen Rückschluss auf die Rate der Adaptation und die Relaxation von Dehnungen während der Adaptation. Der vorgeschlagene experimentelle Ansatz wird durch die Entwicklung eines entsprechenden kontinuumsmechanischen Modells ergänzt. Unter Einbeziehung von Vorarbeiten über den Einfluss struktureller Eigenschaften der glatten Muskulatur wie dem Volumenverhältnis von Kollagen und Muskelfasern oder der Faserorientierungsverteilung wird das neue Modell anhand des vorgeschlagenen experimentellen Ansatzes kalibriert. Abschließend wird das Modell mit existierenden Materialmodellen der angrenzenden Binde- und Deckgewebsschichten kombiniert und im Rahmen von Druck-Volumenexperimenten am Füllvorgang einer Harnblase validiert.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
Mitverantwortlich Dr.-Ing. Robert Seydewitz
 
 

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