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Paula, Josef und Frieda Fruchter: Briefe aus dem Shanghaier Exil 1941–1949

Antragstellerin Dr. Sophie Fetthauer
Fachliche Zuordnung Musikwissenschaften
Förderung Förderung von 2023 bis 2024
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 515699733
 
Im April/Mai 1941 flohen die Pianistin und Stimmbildnerin Paula Fruchter (1896–1983) und der Sänger, Gesangslehrer und Kantor Josef Fruchter (1900–1976) mit ihrer achtjährigen Tochter Frieda (1933–2020) nach Shanghai. Sie gehörten zu den etwa 18.000 überwiegend jüdischen Flüchtlingen, die in der chinesischen Hafenstadt vor der NS-Verfolgung Zuflucht suchten. Ergänzt durch Nachrichten ihres Mannes und ihrer Tochter schrieb Paula Fruchter zwischen 1941 und 1949 fast 70 Briefe, Postkarten, Telegramme und Rot-Kreuz-Nachrichten an ihre Mutter und weitere Angehörige in Wien. Da die Mutter nicht von antisemitischer Verfolgung betroffen war, überdauerte sie die NS-Zeit in Wien und mit ihr die Briefe. Das ist eine absolute Besonderheit, denn in den meisten Fällen wurden die Adressaten von Briefen aus Shanghai deportiert und ging dann mit ihrer Habe auch die Korrespondenz verloren. Die Briefe der Fruchters, zu denen keine Antwortbriefe erhalten sind, wurden in drei Phasen geschrieben. Die ersten Nachrichten entstanden während der Flucht von Wien über Berlin, Moskau, Sibirien und Mandschukuo und geben einen Eindruck von den Umständen der Reise, von Städten und Landschaften sowie der Annäherung an fremde Lebenswelten. Den Abschluss bilden vier Briefe, die während der Schiffspassage von Shanghai über Italien nach Israel bzw. in Raanana, Israel, geschrieben wurden. Hier geht es vor allem um Hoffnungen und Ängste in Bezug auf die Zukunft. Den größten Teil machen die Briefe aus Shanghai aus. Sie thematisieren neben der beruflichen Situation (Konzerte, Unterricht, Arbeit als Kantor in der Synagoge, Arbeitsumstände, Konkurrenzsituation usw.) den Alltag in Shanghai (Unterkunft, Ernährung, Gesundheit, Klima, Erziehung, Kontaktnetzwerke und Überlegungen für die Weiterwanderung bzw. Remigration in der Nachkriegszeit). Vor dem Hintergrund der schwierigen Lage in Shanghai und der Sorge um die Mutter in Wien entwickelte vor allem Paula Fruchter – typisch für Briefe aus dem Exil – Schreibstrategien, die der Selbstvergewisserung ebenso wie der Beruhigung der Mutter dienten. Ziel des Projekts ist eine zweiteilige Publikation. Den ersten Teil soll eine analytische Studie bilden. In ihr sollen die exilspezifischen Kommunikationsstrategien der Fruchters und damit u. a. das Bild, das der Familie in Wien von den Verhältnissen in Shanghai einschließlich des Musiklebens übermittelt wurde, analysiert werden. Dies verbindet sich mit Ausführungen zum Forschungsstand, zur Quellenlage, den historischen Hintergründen, den Biographien der Fruchters und den familiären Zusammenhängen. Die Briefedition samt Kommentar- und Verweisapparat, einem Briefverzeichnis und einem Bericht über die editorischen Probleme und Entscheidungen soll den zweiten Teil bilden. Das Projekt schließt an die Monographie „Musiker und Musikerinnen im Shanghaier Exil 1938–1949“ (2021) der Antragstellerin an und soll auf den dort erprobten methodischen Überlegungen zur Verflechtungsgeschichte aufbauen.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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