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Demokratisierung als parlamentarische Praxis. Der polnische Kontrakt-Sejm 1989-1991
Antragstellerin
Dr. Paulina Gulinska-Jurgiel
Fachliche Zuordnung
Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung
Förderung seit 2022
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 515732063
Thema des Projekts ist die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte des polnischen Übergangs zur Demokratie ab 1989. Im Mittelpunkt steht der sog. Kontrakt-Sejm (sejm kontraktowy). Mein zentrales Anliegen ist es, die polnische Transformation aus dem Kontext ihrer Zeit heraus zu verstehen. Damit distanziere ich mich sowohl von Forschungstendenzen, die in ihrer Auseinandersetzung mit 1989 versuchen, die Misserfolge der während der Transformation postulierten Lösungen retrospektiv zu erklären, als auch von politischen Engführungen dieses Prozesses. In meinem Projekt befasse ich mich anhand des polnischen Fallbeispiels mit der generellen Ambivalenz von demokratischen Körperschaften, die Ordnungen herstellen, ohne auf einer klaren rechtlichen Grundlage zu agieren. Deshalb ist die Frage nach der Legitimität als Basis des politischen Handelns zentral. Sie muss insbesondere im Hinblick auf die erste polnische Parlamentskammer dringend gestellt werden, da diese anders als die zweite Kammer im Zuge von nur teilweise freien Wahlen entstand und folglich Kontinuitäten zum politischen System der Volksrepublik Polen aufwies. Das polnische Parlament verstehe ich als ein flexibel eingesetztes Instrument auf dem Weg zum Umbau und zur Stabilisierung einer demokratischen Herrschaftsordnung. Im Fokus stehen also nicht die Ergebnisse seines legislatorischen Schaffens, sondern der Prozess der Interaktionen und kommunikativen Aushandlungen. Sie veranschaulichen, wie Demokratie nach 1989 performativ hervorgebracht, umkämpft und angefeindet wurde. Diesem Anliegen nähere ich mich empirisch, in dem ich zentrale Debatten untersuche, die darauf abzielten, eine polnische Demokratie zu etablieren. Ihre Kernelemente bildeten Konzepte wie Repräsentation, Partizipation, Souveränität und Rechtsstaatlichkeit. Ihre Bedeutung überprüfe ich anhand von Debatten über die neue Organisation der politischen Struktur, etwa über die Gesetzgebung zu den politischen Parteien, das Verfassungstribunal und die Staatsanwaltschaft. Darüber hinaus analysiere ich Debatten, die sich mit der realen und symbolischen Ebene der Staatsform, das heißt, mit der Änderung der Verfassung, des Staatsnamens, des Staatswappens und der Hymne befassen. Um das polnische Parlament in seiner Dichte und Komplexität darstellen zu können, analysiere ich diese auf mehreren Ebenen: Zum einen befasse ich mich mit der Dokumentation der öffentlichen Plenarsitzungen, zum andern mit der Dokumentation der Arbeit anderer Gremien. Dazu zählen die Gesetzgebungs- und Verfassungskommission sowie das Konvent der Senioren. Auf dieser Grundlage werde ich nachzeichnen können, wie die jeweiligen Konzepte variierten bzw. an Struktur gewannen und wie unterschiedliche Akteure ihr Demokratieverständnis diskursiv aushandelten. Die Ergebnisse und Erkenntnisse aus der Fallstudie zur polnischen Legislative zum 1989 sollen eine vertiefte Auseinandersetzung mit einem universalen Phänomen, nämlich mit dem politischen Systemwandel, ermöglichen.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen